Endspiele vor heimischem Publikum

 

Plauen.

Das Bundesligajahr 2002/2003 geht zu Ende, und die Plauener Mannschaft spielt zum dritten Male in ihrer vierjährigen Bundesligageschichte in der letzten Runde gegen den Abstieg. Dazu brauchen die Vogtländer mindestens einen Punkt, besser zwei, um den Abstieg zu vermeiden. Doch bei ungünstigen Spielausgängen in den anderen Orten kann selbst das zuwenig sein. Trotzdem ist die Chance wieder da, wenngleich es erneut sehr schwer wird.

Blicken wir drei Jahre zurück: In der Aufstiegssaison 1999/2000 vorn vornherein als Absteiger Nr.1 gehandelt, fuhren die Plauener, übrigens mit fast denselben Spielern wie heute, zur letzten Doppelrunde nach Solingen. Dort wartete das gleiche Paar wie am jetzigen Wochenende. Damals hätte ein Sieg gegen Wattenscheid (bei gleichzeitigem Verlust von Dresden gegen die Randbochumer) die Klasse gesichert. Doch die damaligen Leistungsträger Beliavsky und Gdanski verloren ihre Weißpartien und Plauen rutschte in die Abstiegsplätze. Dem Abstieg entrann man nur wegen mehrerer Rückzüge anderer Mannschaften.

Diesmal sieht es ähnlich aus. Plauen spielt am Samstag gegen die SG/Aljechin Solingen. Diese Mannschaft hat mit der laufenden Saison einen Verjüngungsprozess eingeleitet. Frühere Leistungsträger wie Alexander Morozevich, Rustam Kasimdzhanov und Murray Chandler fielen aus dem Team bzw. wurden nur noch sehr sporadisch eingesetzt. Im Gegenzug gab Teamchef Herbert Scheidt jungen Kräften wie dem Inder Sandipan und dem Holländer Werle eine Chance. Auch die Solinger Eigengewächse Hoffmann, Schäfer und Schneider spielten wieder bedeutend öfter als in der Vergangenheit. Zusammen mit den Leistungsträgern Predrag Nikolic, Artur Jussupov und Matthew Sadler brachte es die neu formierte Mannschaft aus der Klingenstadt auf einen sicheren Platz in der oberen Tabellenhälfte. Eine kampfstarke Truppe, die immer zwischen 2,5 und 5,5 Punkte einfährt. Nominell viel stärker als die Plauener, die schon mindestens zwei unerwartete Einzelergebnisse bräuchten, wollte man dem Favoriten Zählbares entreißen.

Läuft es also wieder auf den Showdown am Sonntag hinaus? Wattenscheid ist auch stark, aber wohl nicht ganz so stark wie die Solinger. An den Spitzenbrettern spielen Polens Europameister Bartlomiej Macieja, der armenische U20- Weltmeister Levon Aronian und der Morozevich-Sekundant Alexander Rustemov. Von diesen muss am Wochenende einer wegen der derzeit gültigen Spielbeschränkung für Nicht-EU-Angehörige pausieren. Danach folgen mit dem Holländer Dennis de Vreught und dem Norweger Leif Johannessen zwei weitere junge Großmeister, die ihr Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft haben. Vielleicht spielt an diesem Wochenende bei der Aufstellung die Tatsache eine Rolle, dass der Norweger und die Erfurterin Elisabeth Pähtz derzeit gemeinsam durch die Welt ziehen. Die deutsche Fraktion der Wattenscheider ist ebenfalls nicht zu verachten: Ralf Appel, Frank Holzke, der immer weiter nach oben strebende Neu-Großmeister Florian Handke und der auf Großmeister-Norm-Kurs liegende Volkmar Dinstuhl sollten bedeutend mehr Spielpotential besitzen als ihre Plauener Pendants. Auch Holger Ellers und Timo Sträter verwalteten ihr Brett ordentlich.

Wo soll der Gastgeber angesichts dieser geballten Kraft den entscheidenden Hebel ansetzen? Siegchancen kommen wohl nur auf, wenn von Anfang an konzentriert gespielt wird und niemand schon in der Anfangsphase in Nachteil gerät. Sollten die Könige die Führung erzielen können, müssten die übrigen Wattenscheider jeder für sich versuchen, den Mannschaftsnachteil auszugleichen. Andererseits erhöht jedes frühe Remis den psychologischen Druck auf die verbliebenen Spieler, erst recht, wenn es von einem Leistungsträger erzielt wird, der damit die Verantwortung auf die Amateure abwälzt. So kann nur geballte Mannschaftspower zum Sieg führen, auch wenn das in einer Individualsportart wie Schach unlogisch erscheinen mag.

Der Spielort ist wie gewohnt der Große Ratssaal im Plauener Rathaus, die Wettkämpfe beginnen am Samstag um 14 Uhr und am Sonntag um 9 Uhr (Sommerzeit beachten!).
 

 

Als Mannschaftsführer und derzeitiges Mitglied im Ligaausschuss möchte ich hier ebenfalls meine Meinung zur Initiative von Markus Stangl und anderer Spieler öffentlich kundtun.

Erstens gibt es diese Vorschläge schon seit einigen Jahren, nur waren die Gremien meist nicht tauglich, um Veränderungen zu bewirken. Die Bundesligatagung hat sich in den letzten beiden Jahren mit derartigen Diskussionen befasst (2001 auf Antrag der Stuttgarter SF, 2002 brachte Kreuzberg einen gleichartigen Antrag ein). Beide Male fand sich keine Zweidrittel-Mehrheit unter den Vereinen. Das ist natürlich und liegt an der unterschiedlichen Personalstruktur in den jeweiligen Mannschaften.

Um wirklich eine Festschreibung von Mindestzahlen zu bewirken, ist der von Markus Stangl & Co. eingeschlagene Weg der einzig mögliche. Wichtig ist, dass der Antrag von einem Landespräsidenten auf dem Bundeskongress eingebracht wird. Der Prozess der Entscheidungsfindung dieses Gremiums ist aber eine ganz andere Sache... Vor allem sitzen da Funktionäre, die neben der Bundesliga noch viele andere Dinge wie Breitensport, Nachwuchs und was weiß ich vertreten, von denen die Mehrzahl noch keinen Bundesligakampf live verfolgt haben dürfte. Und die von ihren Landespräsidenten, die sich regelmäßig vor der Diskussion auf eine Generallinie zu den anstehenden Tagungsordnungspunkten absprechen, „instruiert“ werden. Dazu ist weiter zu bemerken, dass dieses Gremium ehrenamtlicher Funktionäre jetzt über die Zukunft von Profis beschließen soll. Keine einfache Sache! Viele Schachfans schimpfen regelmäßig über den einen oder anderen Funktionär, Beschluss oder eine bestimmte Handlungsweise (Stock, Lichmann). Aber wieviele dieser Leute sind bereit, den Platz eines Jörg Schulz oder Thomas Delling einzunehmen, um es besser zu machen? Wer im Deutschen Schachbund etwas bewirken will, der kann das am besten, indem er ein Ehrenamt möglichst nahe am erweiterten Präsidium annimmt. In dieser Gegend habe ich außer Gerald Hertneck kaum jemand gesehen. Auch der Part des Aktivensprechers sollte einmal auf den Prüfstand.

Nun zum eigentlichen Inhalt der Initiative: Was würde sich ändern, käme der Vorschlag zur Anwendung? Ich habe mir die Mannschaftsaufstellungen und die Einsätze nach 13 Runden angeschaut und teile danach die Mannschaften in drei Gruppen ein, in Klammern die potentiellen Aufsteiger:

 

1. Teams, die immer mehr als 4 deutsche Spieler eingesetzt haben: SC Baden-Oos, Stuttgarter SF, TV Tegernsee, SC Forchheim, SK König Plauen, Erfurter SK, SC Kreuzberg, SF Neukölln, Godesberger SK, SV Wattenscheid, (SF Katernberg, SV Hofheim)

2. Teams, die 3-5 deutsche Spieler einsetzen, also den Vier-Deutsche-Vorschlag mit geringfügigen Änderungen erfüllen können: SV Werder Bremen, Hamburger SK, SG/1868 Solingen, (SC Andersen St. Ingbert, Bremer SG)

3. Teams, die regelmäßig weniger als 3 deutsche Spieler aufstellen: Turm Emsdetten, SG Porz, Lübecker SV

 

Durch den Vorschlag würden in der 1. Bundesliga mithin etwa 10 deutsche Spieler mehr in jeder Runde aufgestellt werden müssen (entspricht etwa 8%). Der Vorschlag richtet sich mithin gegen die drei letztgenannten Teams, die anderen sollten damit grob gesehen keine Probleme haben.
Worin ich mit Markus Stangl und anderen übereinstimme, ist der Titel „Deutscher Meister“. Das erscheint mir seit der letzten Saison fragwürdig.

Der Blick über die Landesgrenze ist interessant, ist aber m.E. etwas einseitig. Schaut man sich die Österreichische Staatsliga unter einem anderen Blickwinkel an, fällt auf, dass bei den eingesetzten Spielern der Österreicher-Anteil zwar mindestens 50, gleichzeitig aber höchstens 66 Prozent beträgt, das entspricht in etwa dem derzeitigen Anteil der Deutschen in der 1. BL. Meine Einschätzung, in Österreich gewänne die Mannschaft mit den besten unteren Brettern, weil die ersten drei Bretter sowieso von Ausländern (übrigens mehrheitlich Deutschen) besetzt seien, die sich neutralisieren würden, fand keine Zustimmung seitens mir bekannter Österreich-Legionäre. Ich glaube aber schon, dass es so ist.

Ich sehe den Vorschlag in erster Linie als Versuch, der drohenden „zweiten Ausländerschwemme“ durch den Massenbeitritt zur EU 2004 zuvorzukommen. Denn dann könnte wirklich ein spürbarer Rückgang des Anteils deutscher Spieler zugunsten „preiswerterer“ Osteuropäer drohen. Und das schachliche Können der Polen, Tschechen, Ungarn... ist unbestritten.

Und es ist richtig, sich heute mit dieser Entwicklung zu befassen, um bei der bundeskongresstypischen Entscheidungsträgheit vielleicht im nächsten Jahr Greifbares zu erreichen.

Andererseits kann ich Ede Stomprovskis Gedanken vom Zugriff der „zweiten Garnitur“ (ebenfalls Entschuldigung!) auf die Fleischtöpfe nicht kategorisch von der Hand weisen. Aus seiner Sicht stellt sich das eben so dar.

Das Problem ist diffizil, aus der Sicht deutscher Großmeister ist der 4-Deutsche-Beschluss eine Verbesserung und Sicherung ihrer Lebenslage, vor allem unter künftigen Bedingungen. Wer keine deutschen Großmeister in seiner Mannschaft hat oder kennt, wird der Sache eher skeptisch gegenüberstehen.

Abschließend befürworte ich, den Antrag auf dem nächsten Bundeskongress einzubringen. Das Thema verdient öffentliche Erörterung.

FM Gunter Sandner, Mannschaftsleiter

 

zum Seitenanfang     zur Bundesliga-Seite

http://www.koenig-plauen.de
Copyright © 2001 by Christian Hörr. Aktualisiert am 27. März 2003.