Wie man einem Zentauren begegnet oder

Harry Potter und der Stein der Schachweisen

 

Zuerst, das war vor drei, vier Jahren, glaubte ich, ein Schachbuch in der Hand zu halten. Woran erkennt man denn ein solches, wenn nicht am Schachbrett auf dem Cover? Aber schon die ersten Kapitel, die zweifellos ganz gut gemacht waren, belehrten eines anderen: mit Schach konnte das wenig zu tun haben und den Stein der Weisen wird man auch nicht finden! Und da die Geschichte bald ins Abstruse abglitt, der Autorin sichtlich der Erzählfaden verloren ging, legte ich das Büchlein wieder beiseite und verscherbelte es bald darauf.
Jahre später scheint die ganze Welt kein anderes Thema mehr zu kennen, in Buenos Aires spricht man darüber und in Kapstadt, Kinder in Berlin und London stürmen die Kinos, in Moskau und Miami laufen die gleichen vermummten Gestalten herum – es ist ein weltweites Ereignis geworden. Was ist geschehen, wie lässt sich der Erfolg beim Leser – nicht beim Käufer: das ist ein anderes Thema und müsste ökonomische, sozialpsychologische und weitgreifende Überlegungen einbeziehen - sich erklären und ist er berechtigt? Was, in Herrgotts Namen, hat das alles mit Schach zu tun?

Eine 35-Millionen-Auflage lässt sich so wenig kritisieren wie eine Flut oder eine Lawine und ist ohnehin sinnlos, denn die Entscheidung ist längst gefallen. Was hunderte Millionen Menschen lesen, hat sich jenseits der Kritikgrenze angesiedelt; man kann nur noch erläutern, aber nicht mehr urteilen. Quantität schlug hier schon um in eine neue Qualität, in der freilich Qualität selbst schon keine tragende Rolle mehr spielt, sie ist kein Kriterium für Erfolg mehr. Ein solcher Triumph sagt von vornherein viel weniger über das Buch aus als über seine Zeit, in der ein solches Buch erst solch ein Triumph werden kann. Man muss sich fragen, ob man gegen die Begeisterung ganzer Völkerstämme und Generationen noch sinnvoll anschreiben darf.

Für die zwei, drei Ignoranten, die noch immer nicht wissen, worum es geht: Harry Potter heißt der Junge, der wie die vier Todesbomber das Gleichgewicht der Welt stört. Er wuchs bei Tante und Onkel, stiefmütterlich be-, nein misshandelt, auf, schließlich wird er in eine Zauberschule berufen, denn er ist anders, er ist ein Zauberer. Und nicht irgendeiner, sondern derjenige, der der Macht des Bösen ins Angesicht zu schauen vermag. Das macht er denn auch; über viele mehr oder minder notwendige Zwischenstufen besiegt er die dunkle Macht, entreißt ihr den allesverheißenden „Stein der Weisen“ und rettet damit das, was er selbst wie ein Virus befallen hat: die ganze Welt. Mehr muss man nicht wissen und schon hier wird deutlich, dass man das alles schon mal, hunderte Male, tausende Male gesehen, gelesen, gehört hat. Das bestätigt sich denn auch im Detail. Es handelt sich um ein Sammelsurium von Ideen aus Film, Comic, Literatur und Computerspielen: Eco, Schwarzenegger, Ende, Tolkien, der Zauberer von Oz, diverse Märchen, Psychoanalyse und Traumdeutung, Stoker, Odysseus, religiöse Mythen u.v.m., dies alles ist – auch in dieser oder jeder anderen beliebigen Reihenfolge – in einen Topf geworfen, umgerührt – nicht gut genug, um die Bestandteile unidentifizierbar zu machen – und ausgegossen worden. Beliebigkeit ist oberstes Prinzip, insofern ist es ein negatives Paradebeispiel für Postmodernität. Es finden sich wahllos zusammengewürfelt, aus verschiedenen Geschichten, Traditionen und Diskursen entlehnte Phantasiefiguren- und Gegenstände: Poltergeist, Zombie, Werwolf, Einhorn, Zentaur, Troll, Riese, Vampir, Drachen, Zauberspiegel, Stein der Weisen, Lebenselixier, ein Mantel, der unsichtbar macht usw. Anything goes, was irgendwie bunt, auffällig, aufregend sein könnte, kommt und geht: Erregung auf postmodern heißt Abwechslung, gnadenlos; ein Gang durch ein Fundbüro phantastischer Ideen und Geschichten. Und das dies nicht auf einem wirklichen Wissensfundament beruht, zeigt noch die undifferenzierte Aufzählung von „Famous Witches and Wizards“: Morgana neben Circe, Agrippa und Paracelsus neben Merlin und Ptolomäus neben Dumbledore – nur Unwissen kann das erträglich machen! Dies alles haben engagierte Kritiker schon längst ausfindig gemacht1, aber es erklärt den Erfolg der Schwarte noch nicht ausreichend, zumal das Buch, sieht man von den ersten drei Kapiteln, die gar nicht von derselben Autorin zu sein scheinen, denkbar ärmlich geschrieben ist.

Auch der italienische Harry Potter kommt als Schachspieler daher.

Aufgrund seiner Einlinigkeit lässt es jede wirkliche Substanz vermissen, es kann den anspruchslosen Leser überhaupt nur bei der Stange halten, indem es ununterbrochen neue kleine Spannungen und Konflikte erfindet. So hangelt sich die Autorin von einem Kampf zum anderen ohne recht klar machen zu können, welche innere Funktion das jeweilige Ereignis im Handlungsverlauf hat und das gipfelt schließlich in einem finalen Höhepunkt, der so hoch ist wie ein Kehrichthaufen am Ende eines langen Bürotages. Sie reiht Bilder aneinander, tatsächlich wie im Film, deren inhaltliche Leere nur durch bombastische Effekte kaschiert werden, und bringt sie durch eine optische Täuschung zum Laufen. Vermutlich denkt sie in Filmbildern und selten ist ein Buch so anbieterisch schon Drehbuch mitsamt Special-Effects, wie dieses. Das ist ein an sich unabschließbarer Prozess, zumindest kennt er kein internes Ende, und man kann Rowling dafür tadeln, den etwas geübteren Leser über 200 Seiten damit zu quälen, man kann sie aber auch loben, sich so kurz gefasst zu haben – es gibt also starke Gründe, sich vor allem den 800-seitigen letzten Roman zu klemmen. Doch, Spaß beiseite, verbirgt sich dahinter ein fundamentaleres Problem, insofern es ein Exempel für den neuen Gipfelpunkt unseres anthropologischen Selbstexperiments darstellt, sich permanent den eigenen Bildern auszusetzen und zu warten, was mit uns geschieht, ein Prozess, der mit den Höhlenmalereien vor 30000 Jahren recht harmlos begann, aber nun seine destruktive Wirkung vollends zu zeigen scheint. Wir sind, was wir gesehen, und wir sind, trotz aller Fülle, nicht reicher dadurch geworden, wenn der Bilderprozess, besonders durch Film und Fernsehen, unseren internen Ideenhaushalt derart verändert, dass die Phantasie keine eigenen Bilder mehr zur Verfügung stellt, statt dessen nur noch Erinnerungsarbeit leistet und schon-mal-Gesehenes sich aufdringlich in den Vordergrund drängt. Dort, wo die Fabelwesen einst als künstlerische und spirituelle Akte erstanden, geschöpft wurden, im freien Raum der Imaginationen, basierend auf Empirie und Phantasie, dort herrscht heute Leere durch Überfülle. Kunstverständnis und Spiritualität geht Kadaverliteraten, die nun am Ende dieser Transformation stehen, vollends ab, obwohl sie ihre Schriftstücke mit unzähligen Kopien beschweren.

Als Buch ist es wie ein guter Schülerphantasieaufsatz: eine vornehmlich kindliche Phantasie, die sich auf der kindlichen Gegen-, der Leserseite möglicherweise entzückt wieder erkennt, treibt voran und voran und dann geschah das und dann dies und dann jenes ... dann kommt der Troll und dann der Zaubermantel und dann der Zauberspiegel und dann der Drache und dann das Einhorn und dann der Zentaur und dann... Ich hätte der Schülerin Rowling, sagen wir mal in der achten Klasse, darauf ohne Zweifel eine Eins gegeben, vielleicht sogar mit Sternchen. Dabei sind die Ideen, wie gesagt, alle geklaut, aber das mag man einem Schulaufsatz gern verzeihen. Rowlings eindimensionale Phantasie ist zwar reich – zahlreich – an Ideen, aber arm an Qualität. Das Aneinanderreihen von Bildsequenzen erreicht nur komplementäre Geister: eindimensionale, satte, aneinander gereihte und filmverseuchte Bilderphantasien depravierter und konditionierter Konsumentenhirne.

Vielleicht ist Harry Potter so etwas wie die angelesene und angeschaute Summe der Genreliteratur, deshalb auch so erfolgreich, weil er die besten Ideen der letzten Jahrzehnte moralisch vollkommen unbeschwert zitiert, dadurch schnelle Bildwechsel erreicht wie ein Videoclip, zum anderen von der bedrohlichen Last befreit, dies alles lesen zu müssen. Dass dies, der Meinung vieler Kinder nach, „das beste Buch aller Zeiten“ sei, ließe sich aus dieser mit Unkenntnis gepaarten Erlösung hinreichend erklären. Es ist daher auch falsch, anzunehmen, Harry Potter verleite endlich wieder zum Lesen, wenn man darunter das genuine Interesse auf andere Bücher versteht, denn soweit zu sehen ist, empfiehlt er nur sich selbst. Niemand weiß, was er nach Harry Potter noch lesen soll.

Zudem schafft es für übersatte Kids, denen es ohnehin schon zu gut geht, eine neue Dimension des Begehrens, denn alles ist da drüben noch besser, noch vielfältiger, noch bunter und vor allem noch schneller. Als Hagrid Harry in das Traumland führt, da machte er ihm ein Geschwindigkeitsversprechen, da kündigt er ihm eine Welt an, in der alles noch viel größer und schneller als in der unsrigen ist, in der es vor allem mehr gibt, eine Welt, in der man sich wünschen muss, acht Augen mehr zu haben (56). Andererseits ist auch irgendwie alles beim Alten geblieben, statt wegen des neuen Nintendo 2000 drücken sich die Hogwartkinder halt für den neuen Nimbus 2000 (dem Hexenbesen) die Nase am Schaufenster platt. Im Prinzip fällt Harry auf höherer Ebene in die selbe Falle wie sein verhasster Neffe Dudley, der sich zum Geburtstag vierzig Geschenke wünschen darf und für den 20 Videospiele – noch vor kurzem Inbegriff des Spannenden – nur noch langweilig sein können.

Auf den ersten Blick scheint das Buch den klassischen Gut-Böse-Konflikt zu bedienen, aber der erklärt schon den Erfolg nicht mehr. Tatsächlich transportiert Rowling diesen Dualismus in zwei zeitgenössischere Kategorien. Die Struktur bleibt, der Inhalt hat sich gewandelt: statt gut und böse werden aufregend und langweilig gegeneinander gesetzt und das ist das Erfolgsrezept in der Fun-Gesellschaft, wo das Erlebnissubstrat der letzte lebenswerte Inhalt wird. Wo selbst 20 neue Computerspiele nur noch Langeweile erzeugen, wo überhaupt nichts Irdisches mehr erregen kann – weder die paar geschändeten Leichen im abendlichen Fernsehen noch der neueste Skandal, auch ein paar pralle Brüste nicht, da muss schon die Outworld anklopfen, um noch ein letztes Mal Phantasien zu erregen. Allerdings mit dem Schicksal, in nicht allzu langer Zeit selbst tödlich langweilig zu wirken (was aus ästhetischen Gründen ohnehin schon der Fall hätte sein müssen). Das wird der Unterschied zu Alice im Wunderland, zu Grimms Märchen, zur Unendlichen Geschichte, zu Tom Sawyer und all den substanziellen Texten, von denen Harry Potter nur ein dünner Abguss ist, bleiben. Potter ist nur ein Entgrenzungsphänomen und als solches zeitlich bedingt aufregend. Da werden noch unbesetzte Wunschfelder entdeckt und beackert, aber sie können keine Frucht tragen. Die Kinder werden es vergessen, hat sich die Hysterie erst einmal gelegt, wie am zweiten Weihnachtsfeiertag das neue Geschenk. Nichts steht deutlicher für die Enthemmung des Begehrens als die „Every-Flavour Beans“. Und Harrys Starträume sind die Träume der jugendlichen Generation; plötzlich und aus dem Nichts ein Star zu werden, es muss nur der richtige Agent an einem vorbeilaufen, zu irgendetwas fähig ist man schon. Der Held fliegt denn auch als Harry Air Jordan Potter durch das Basketballspiel – Fußball wäre schon out, wäre schon am Trend vorbei gewesen - der Superlative (Quidditch) und macht den entscheidenden Dunkin. „I’m famous and I can’t even remember what I’m famous for“ (66) – der Satz beschreibt das Identitätsproblem des modernen Stars, hätte Spice-Girl Posh oder Naddel ihn gesagt, niemand würde an seiner Authentizität zweifeln.

Und, auch das mag ein Grund für den Erfolg sein, verbergen sich hinter der bunten Fassade ganz lebens- vor allem schulrelevante Themen, in denen sich der genervte Schüler spiegeln kann: Lehrer-Schüler-Konflikt, Cliquenbildung, Freund- und Gegnerschaft, Markenbewusstsein, Zwang zum Trend usw.; schließlich gibt es selbst noch im Wunderland Hamburger, English Breakfast, Ketchup, Pokémon und West Ham United.

J.K. Rowlings Verhalten nach dem Erfolg ist also leicht zu erklären. Zum einen verkaufte sie alle Rechte an Coca Cola und da haben sich nur zwei gefunden, die wie füreinander geschaffen waren, zum anderen übt sie sich sehr zu Recht in Bescheidenheit, gibt selten Interviews, enthält sich der Meinung zu anderen Themen, zeigt sich vor allem noch immer überrascht vom Erfolg und relativiert den Wert ihrer Bücher selbst. Sie – und wir nun auch – wird wissen, warum. Dieser Realitätssinn, der sich hoffentlich erhält, macht sie mir persönlich sympathisch und dass jemand die Gunst der Stunde nutzt, um ein paar hundert Millionen Pfund zu machen, ist weniger verwerflich denn bewundernswert.

Harry Potter auf finnisch

Die Schachszenen sind damit bereits ausreichend charakterisiert, man muss sie bloß noch konkretisieren.
Während der langen Wintertage der Weihnachtszeit, Harry und Ron, sein bester Freund, sind allein, spielen die beiden mitunter Schach: „Ron also started teaching Harry wizard chess. This was exactly like Muggle chess except that the figures were alive, which made it a lot like directing troops in battle“ (146). Nun könnte man fast meinen, hier wird ein literarisches Motiv eingeführt, denn später werden die beiden im Gigantenschach eine ihrer härtesten Proben zu bestehen haben, aber nein, es bildet nur ein weiteres Utensil, ein weiteres nett anzuschauendes, sich vorzustellendes Bild, das aus dem Nichts kommt und dort wieder verschwindet, sinn- und funktionslos wie all die anderen Sachen. Im Film, der als detailgetreue Wiedergabe des Buches verstanden wurde, verrät sich dann vollends die Quelle dieses Phantasiestreiches, deutlicher als im Text („like in battle“): das unter Mugglespielern allbekannte Computerprogramm „Battle Chess“, das jeder mal irgendwann auf seinem PC hatte, um sich an den Agonien des mattgesetzten Königs zu erfreuen, an der blutrünstigen Enthauptung des Läufers oder um den Zauberkräften der Dame zuzuschauen, wie sie den geschlagenen Bauern unter Donner und Blitz verächtlich im Abgrund verschwinden lässt. Und was Battle Chess nicht leistete, das vollbringt Fritz nun schon seit Generationen, er gibt dem Spieler, wenn er es denn wünscht, Tipps und Hinweise und warnt ihn vor schlechten Zügen, nicht anders als Harrys Figuren, die mit dessen anfänglichen Schachkünsten alles andere als zufrieden schienen: „He wasn’t a very good player yet and they (die Figuren) kept shouting different bits of advice at him, which was confusing: ‚Don’t send me there, can’t you see his knight? Send him, we can afford to lose him.‘“ (147).

Nun, da Rowling plötzlich die Schachidee in den Sinn kam, taucht es auch hin und wieder auf, als Relikt, nicht mehr (150, 155), nur einmal erfahren wir noch, dass Hermione, die kleine Hexe und Rechenkünstlerin, nicht so gut im Schach war (159), was insofern Informationswert besitzt, da hiermit die Arbeitsteilung im finalen Kampf gegen das Böse angekündigt wird: Harry der Chef, Hermione die Logikerin, Ron der Schachspieler. Am Ende erhält Harrys Schule noch einmal 50 Belohnungspunkte in der kruden-behavioristischen Konditionierungspädagogik – aber das ist schon wieder ein anderes Thema: die Pädagogik des Buches - „for the best-played game of chess Hogwart has seen in many years“ (221).

Die drei Filmhelden beim Gigantenschach.

Alles „gipfelt“ in der Jagd nach dem Stein und führt über das gigantische Schachbrettzimmer – vgl. Carroll: Alice im Spiegelland. „They were standing on the edge of a huge chessboard, behind the black chessmen, which were all taller then they were and carved from what looked like black stone. Facing them, way across the chamber, were the white pieces. Harry, Ron and Hermione shivered slightly – the towering white chessmen had no faces. ‚Now what do we do?‘ Harry whispered. ‚It’s obvious, isn’t it?‘ said Ron. ‚We’ve got to play our way across the room.‘“ (204). Das ehrt den guten Ron als fanatischen Schachspieler, schließlich hätte man es ja auch erstmal mit einfachem Durchschreiten des Raumes versuchen können, aber warum sich den Spaß nehmen, und uns Schachenthusiasten ist es eine Schadenfreude, Miss Rowling blundern zu sehen. Kurz, man übernimmt die Rolle von Figuren; Harry als Läufer, Hermione als Turm und Ron als Springer. Man lernt auch was über das Spiel: „White always plays first in chess“. Das Spiel beginnt, „a white pawn had moved forward two squares“, soweit ist noch alles in Ordnung, aber als Ron Harry, dem Läufer, zuruft: „Harry- move diagonally four squares to the right“ – vermutlich Lf8 – b4, aber als erster Zug? -, da wundert man sich schon. „Their first real shock came when their other knight was taken. The white queen smashed him to the floor and dragged him of the board, where he lay quite still, face down“ – Battle Chess lässt erneut grüßen. Und so ging es weiter, „the white pieces showed no mercy“. Das hat zwar alles keinen internen Sinn, gibt aber ein paar schöne Bilder und Schnappschüsse ab. Ganz rührend und symbolträchtig: Ron opfert sich schließlich um Harry den Weg frei zu machen, den gegnerischen König Matt zu setzen: „‘That's chess!‘ snapped Ron: You’ve got to make some sacrifices!“ und ich denke, wir greifen nicht zu weit, wenn wir das als Lebensmetapher interpretieren: Manchmal muss man eben Opfer bringen.

Vorschlag: Schwarz am Zug: Matt in 2.

Die Stellung könnte in etwa so ausgesehen haben.2 „I take one step forward and she’ll take me – that leaves you free to checkmate the king, Harry!“ Ron, der schwarze Springer opfert sich gegen die Dame, und Harry, der schwarzfeldrige Läufer, setzt Matt, während Hermione als Turm wie der Fels in der Brandung stehen bleibt und wichtige Fluchtfelder abdeckt. Ron „stepped forward and the white queen pounced. She struck Ron hard around the head with her stone arm and he crashed to the floor – Hermione screamed but stayed on her square – the white queen dragged Ron to one side. He looked as if he’d been knocked out. Shaking, Harry moved three spaces to the left. The white king took off his crown and threw it at Harry’s feet. They had won.“

Es sind so die kleinen verräterischen Details, die den Schachkenner stutzig machen und etwas an den schachlichen Fähigkeiten der Autorin zweifeln lassen, wenngleich sich dieses Halbwissen mittlerweile als allumfassend herausstellte. Da spricht sie von „spaces“ statt „squares“ und auch der Begriff „castle“ für den Turm (eigentlich rook) ist zumindest ungewöhnlich. Man kennt heutzutage lediglich „castling“ als rochieren, allerdings war „castle“ in England zu früheren Zeiten ein, wenn auch selten noch genutzter, bekannter Begriff. Auch im Detail scheint sich die Analyse zu bestätigen.
 

P.S. Was sagt man, wenn man einem Zentauren (Bane) begegnet? Ganz einfach:

„Hullo, Bane,‘ said Hagrid. ‚All right?‘
‚Good evening, Hagrid; I hope you are well?‘“
 

(J.K. Rowling: Harry Potter and the Philosopher’s stone. London 1997.)
 


Jörg Seidel, 29.11.2001

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Anmerkungen:

1 Hanns-Georg Rodek: Die Magie des Vertrauten. In Die Welt 21.11.

http://www.welt.de/daten/2001/11/21/1121kfi297070.htx


2 Laut "Chess" (Februar 2002, S. 38) wurde im Film eine Skandinavische Partie gespielt, die mit der Zugfolge Sh3+ Dxh3 Lc5# endete. Eine historische Vorlage für die Partie konnte bislang nicht ausgemacht werden. Ein anderer aufmerksamer Zuschauer beobachtete ein falsch herum aufgestelltes Brett (Chess, März 2002, S. 48): "In the scene at breakfast where the Owl Post is delivered, the camera pans along to the table where a game is in progress - yes - white on the left. Well, what do you expect when they call rooks castle?"

 

 

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