Wilhelm Steinitz

Dr. Max Euwe

(1901 - 1981)

Schachweltmeister 1935 - 1937

"Holland ist berühmt wegen seiner prächtigen Blumen. Für uns ist Euwe die schönste Blume, die der Schachwelt viel ewig Grünes geschenkt hat." (Salo Flohr)

Max Euwe (eigentlich Magchielis Euwe) erlernte das Schachspiel mit vier Jahren von seinen Eltern. An öffentlichen Turnieren beteiligte er sich zum erstenmal im Alter von zehn Jahren, und zwar an einem Weihnachtsturnier in Amsterdam 1911, wo er in der 4. Klasse ein 100%-iges Ergebnis erzielte.

Das Spiel und der Erfolg des jungen Euwe erregten Aufsehen, aber er war kein Wunderkind und wurde auch nicht als solches angesehen. Man begnügte sich damit, ihn als guten Schachspieler anzuerkennen. Seine Partien aus dieser Zeit weisen schon Spuren seiner späteren wissenschaftlichen Anschauung auf. Schachbücher waren ihm bereits vertraut.

Nichts deutete in seinem Spiel jedoch auf ein urwüchsiges Naturtalent hin. Mit vierzehn Jahren nahm er am Nebenturnier des Holländischen Schachbundes teil, mit achtzehn wurde er Sieger des A-Hauptturniers.

Im gleichen Jahr legte er an der Realschule von Amsterdam das Abitur ab. In dieser Zeit fällt auch sein erstes Auftreten im Ausland. Er beteiligte sich an einem Turnier in Hastings und nahm den vierten Platz ein. Im Winterturnier zu Amsterdam wurde er Zweiter.

In den folgenden Jahren, bis zum Winter 1932, nahm er noch mehrere Male an dieser traditionellen Veranstaltung teil und errang 1920/21 den zweiten, bei anderen Gelegenheiten den ersten Platz.

In Bromkey 1920 war er zweiter Sieger und noch in dem selben Jahr wurde er in Amsterdam unter starker Gegnerschaft Vierter. Unter den Teilnehmern befanden sich, um nur die bekanntesten Namen zu erwähnen, Maroczy, Réti und Tartakower.

Danach spielte Euwe einen Zweikampf mit Réti und erlitt eine 1:3-Niederlage. Obwohl er den Kürzeren zog, veranschaulicht seine einzige Gewinnpartie die Entwicklung seines Stils. Er schwankte noch zwischen dem klassischen Vorbild Tarraschs und der modernen Auffassung von Réti.

Im ersten großen Nachkriegsturnier 1920 in Göteborg hatte Euwe noch vor der letzten Runde Chancen auf den ersten Platz, unterlag aber in der entscheidenden Partie nach heftigem Kampf seinem Landsmann Dr. Olland und musste sich mit dem zweiten Platz hinter Johner begnügen.

Für den jungen Euwe war dieses Abschneiden sehr ehrenvoll. Trotzdem hatte das dramatische Verfehlen des ersten Preises eine ungünstige Wirkung auf ihn, denn in späteren Turnieren vermochte er unter ähnlichen Umständen die Erinnerung daran nie völlig verdrängen.

Der Erfolg im Göteborger Turnier machte Euwe mit einem Schlag berühmt. Die Schachwelt begann auf ihn aufmerksam zu werden, zumal er noch im gleichen Jahr zwei erste Plätze errang, und zwar in Scheveningen und in einem Viererturnier in Amsterdam, in dem er sogar alle Partien siegreich beendete.

Im Dezember 1920 und im Januar 1921 spielte er einen Vergleichskampf mit Oskam und gewann 3:1. Im Januar 1921 wurde er in Scheveningen erneut Erster, ohne auch nur einen halben Punkt abzugeben. In Brodstair (England) teilte er den ersten und zweiten Platz mit O'Hanlon. In Wien war er Zweiter hinter Sämisch, überflügelte aber angesehene Meister wie Breyer, Tartakower, Vukovic und Grünfeld.

Im August 1921 gewann Euwe das erste Mal die Meisterschaft von Holland, diesen Erfolg sollte er noch oft wiederholen. Im gleichen Jahr spielte er mit seinem späteren Lehrmeister und Freund Maroczy einen Wettkampf, dessen Ergebnis 6:6 lautete.

Anlässlich eines internationalen Turniers in Budapest begegnete Euwe zum erstenmal Alexander Aljechin. Der Holländer erreichte zwar nur den sechsten Platz, aber sein Ergebnis kann im Hinblick auf die starke Konkurrenz als gut angesehen werden. Er ließ z.B. Bogoljubov hinter sich.

Im Turnier zu Haag erlitt er dagegen einen Misserfolg: Er wurde letzter. Von da an wendete sich sein Turnierglück bis Ende 1922. In Pystian wurde er Neunter, im Londoner internationalen Turnier, das Capablanca gewann, sogar nur Elfter.

Das Jahr 1923 verlief bereits erfolgreicher für Euwe, der zunächst ein Viererturnier in Amsterdam vor Tarrasch, Speyer und Weenink gewann. Beim internationalen Turnier in Mährisch-Ostrau begegnete er zum erstenmal Emanuel Lasker. Hier teilte er zwar nur den fünften und sechsten Platz hinter Lasker, Réti, Grünfeld und Selesniew, konnte sich aber z.B. vor Tartakower, Bogoljubov, Rubinstein, Spielmann und Tarrasch platzieren.

Beim Neujahrsturnier in Hastings gelang es Euwe auf Anhieb, Erster zu werden und Maroczy, Colle und Yates auf die folgenden Plätze zu verweisen. Er verlor nur gegen Colle, revanchierte sich aber ein Vierteljahr später in einem Wettkampf, den er mit 5:3 für sich entschied. Im Turnier zu Weston-Supermare errang Euwe den ersten Platz vor Sir G. Thomas und Snosko-Borowski.

1924 wurde er Erster im Halbfinale des Pariser internationalen Turniers, musste sich aber im Finale mit dem vierten Platz begnügen. Turniersieger wurde Mattison vor Apscheneek und Colle.

Die Meisterschaft von Holland endete erneut mit Euwes Sieg. Den Zweiten, Davidson, bezwang er danach in einem Wettkampf mit 6½:2½.

Im Jahr 1924 promovierte Euwe zum Doktor der Philosophie. In der gleichen Zeit prägte sich sein Schachstil aus, und sein Spiel wurde harmonischer. Im folgenden Jahr ergriff er in Rotterdam die Laufbahn eines Mittelschullehrers und wurde kurz darauf Lehrer, später Direktor an einem Lyzeum in Amsterdam.

Er gewann 1925 das Turnier in Semmering - Baden und zu Ostern des selben Jahres das doppelrundige Turnier von Wiesbaden. 1926 errang er in Weston-Supermare erneut den ersten Platz, Zweiter wurde Colle.

1926 erwarb er auch noch in der Mathematik den Doktorgrad. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und dem Lehrerberuf widmete er sich weiterhin dem aktiven Turnierspiel, obwohl seine Zeit knapp bemessen war. Selbst in der Periode seiner größten Erfolge übte er seinen Beruf aus, wenngleich er sich auch zeitliche Beschränkungen auferlegen musste.

Euwes Spiel reifte allmählich zur Großmeisterstärke heran. Entschlossen betrat er den Weg zur Weltmeisterschaft. Ein angeborenes, durch Arbeit gefördertes Talent paarte sich bei ihm mit vorzüglichen menschlichen Eigenschaften. Dank seiner Liebe zum Schach und seinem Willen zur Selbstkritik kam er voran.

Er schuf sich ein gründlich durchdachtes Eröffnungsrepertoire, das sich hauptsächlich auf den Zug 1.d4 stützte. Die genaue Kenntnis der geschlossenen Spielweisen und seine Vorliebe für die Strategie bedingten einander. Die psychologische Seite des Schachs vernachlässigte er ebenfalls nicht, aber auf taktischem Gebiet war er verwundbar.

Mit dem Jahr 1926 begann im Leben Euwes die Periode, in der er sich in mehreren Wettkämpfen mit den Besten der Welt maß. Bei diesen Vergleichen waren ihm keine besonderen Erfolge beschieden, aber sein Spiel wusste allgemein zu gefallen. Seine Partien halfen seinen Ruhm vergrößern und ließen ihn die im Kampf mit den Größten nötige Routine erwerben.

Ein Jahr bevor Aljechin Weltmeister wurde, spielte Euwe mit ihm einen Wettkampf und verlor 4½:5½. In einem neuerlichen Match gegen Davidson blieb Euwe dagegen mit 4:1 siegreich. Ein doppelrundiges Sechserturnier der VAS (Vereinigte Amsterdamer Schachgenossenschaft) sah Euwe 1927 an der Spitze. Danach erreichte er in London einen vierten Platz. Einen zweiten Wettkampf mit Colle gestaltete er 1928 mit 5½:½ überlegen für sich.

Ein schachhistorisches Ereignis war die Austragung der Amateur-Weltmeisterschaft in Den Haag, die für Euwe ein großer Erfolg wurde und ihm den Titel eines Amateurweltmeisters eintrug. Turniere dieser Art sind seitdem nicht wieder ausgetragen worden.

Einen in Amsterdam, Rotterdam und Utrecht mit Efim Bogoljubov gespielten Wettkampf im Jahre 1928 begann Euwe sehr verheißungsvoll, musste sich aber schließlich mit 5½:7½ geschlagen geben. Auch die Revanche endete mit einem Sieg von Bogoljubov, der diesmal mit 5½:4½ die Oberhand behielt.

In Bad Kissingen 1928 konnte Euwe zusammen mit Akiba Rubinstein den dritten und vierten Platz belegen. Sieger wurde Bogoljubov vor Capablanca.

1928 begann Euwes literarische Tätigkeit. Seine eröffnungstheoretischen Untersuchungen und Systematisierungen sowie seine zahlreichen Lehrbücher wurden bald weltberühmt.

In der Meisterschaft von Holland erzielte Euwe 1929 in Amsterdam einen überlegenen Sieg mit 8½ Pkt. aus 9 Partien. Auf dem Karlsbader internationalen Turnier 1929 erreichte er dagegen nur den 5.-7. Platz gemeinsam mit Becker und Vidmar.

1930 wurde er bei einem Sechserturnier in Amsterdam hinter Weenink Zweiter. Im Herbst beteiligte er sich an einer Tournee durch Ostindien. Das Jahr schloss mit einem sensationellen Erfolg für ihn. Er gewann das Hastinger Neujahrsturnier vor dem Exweltmeister Capablanca. Das Spiel Euwes ist in dieser Zeit sehr phantasiebetont. Obwohl er die Strategie gegenüber der Taktik den Vorzug gibt, bedient er sich doch gern taktischer Wendungen, um einen Positionsvorteil zu erringen bzw. zu verwerten.

Euwes Stil wurde von seiner wissenschaftlichen Einstellung zum Schach geprägt. Sein Spiel ist klar wie das Capablancas, obwohl sich seine Schachauffassung in einem Punkt grundlegend von der des Kubaners unterscheidet. Während Capablanca nämlich weitgehend seiner Intuition vertraute, bediente sich Euwe wissenschaftlicher Methoden der Vorbereitung. Capablanca war vor allem in der Eröffnung oft gezwungen, sich Pläne und Züge am Brett zurechtzulegen, wo Euwe noch auf sein theoretisches Wissen bauen konnte. Dank seiner schachwissenschaftlichen Forschungsarbeiten ist Euwe stets in der Lage gewesen, mit umfangreichen Kenntnissen gewappnet, den Kampf aufzunehmen.

Seine Eröffnungskunst äußerte sich nicht in der Erfindung neuer Eröffnungen. Seine Stärke lag vielmehr in der Analyse und Verbesserung von Varianten. Auch die praktische Erprobung umstrittener Abspiele ist in vielen Fällen mit seinem Namen verbunden. In der unerschöpflichen Schatzkammer der Eröffnungstheorie hat Euwe zahllose Edelsteine gefunden und künstlerisch geschliffen.

Im Jahr 1931 unterlag Euwe in einem Wettkampf gegen Exweltmeister Capablanca mit 4:6. Im Hastinger Neujahrsturnier musste er sich hinter Flohr und Kashdan mit dem dritten Preis begnügen.

Im folgenden Jahr nahm Euwe nur wenige Einladungen an. Aus dieser Zeit sind vor allem zwei Wettkämpfe erwähnenswert: Gegen Rudolf Spielmann siegte er mit 3:1 und gegen Salo Flohr lautete das Ergebnis 8:8.

1932 belegte Euwe in Bern hinter Aljechin gemeinsam mit Flohr den zweiten bis dritten Platz. 1933 gewann er wiederum die Meisterschaft von Holland.

Euwe ging weiterhin seinem Beruf nach und nahm sich obendrein vor, das Diplom eines Hochschullehrers zu erwerben. Diese vielseitigen Verpflichtungen beeinträchtigten selbstverständlich seine schachlichen Vorbereitungen und Pläne. In diesem Zeitraum konnte er sich kaum an Turnieren beteiligen. Trotzdem verlor er sein Ziel nicht aus dem Auge. Die Zeit nahte, in der er durch einen Wettkampf um die Weltmeisterschaft seine hohe Berufung beweisen sollte.

Um seine Spielstärke zu verbessern musste er zum Turnierkampf zurückfinden. 1934 spielte er deshalb einige Wettkämpfe und nahm an dem stark besetzten Züricher Turnier teil. Wie schon zwei Jahre zuvor in Bern belegte er hinter Aljechin im toten Rennen mit Flohr den zweiten und dritten Rang. Dann folgten Bogoljubov, Lasker, Bernstein, Nimzowitsch, Stahlberg und weitere acht Spieler. Euwe besiegte in diesem Turnier Aljechin, obwohl sich dieser in Höchstform befand. Im Hinblick auf den bevorstehenden Weltmeisterschaftskampf wurde diesem Ergebnis große Bedeutung beigemessen.

Auf den Erfolg von Zürich folgte ein zeitweiliger Rückschlag in Leningrad, wo Euwe nur 50 Prozent der möglichen Punkte erreichte und sich mit dem sechsten Platz begnügen musste. Im Hastinger Neujahrsturnier 1934/35 wurde er seinem Ruf dagegen wieder gerecht und setzte sich gemeinsam mit Flohr und Sir G. Thomas punktgleich an die Spitze des Feldes. Exweltmeister Capablanca musste mit dem vierten Preis vorlieb nehmen.

Im März 1935 gewann Euwe noch ein kleines Viererturnier vor van den Bosch. Dann bereitete er sich auf den großen Wettkampf mit Alexander Aljechin vor.

Am 3. Oktober 1935 begann das WM-Match zwischen Euwe und Aljechin. Das unter der Leitung von Schiedsrichter Maroczy stehende Match erregte die Gemüter der ganzen Schachwelt. Schließlich hatte Euwe schon im Jahre 1926 in einem kurzen Wettkampf ehrenvoll gegen Aljechin abgeschnitten und ihm in den letzten vierzehn Partien ein 7:7 abgetrotzt. Außerdem war er es gewesen, der dem Weltmeister im großen Zürcher Turnier als einziger eine Niederlage beizubringen vermochte. Seine moralische wie auch sportliche Berechtigung zu dem Weltmeisterschaftskampf wurde deshalb von niemandem bezweifelt.

Es prallten zwei grundverschiedene Schachauffassungen aufeinander. Das Ergebnis des Kampfes wurde jedoch nicht so sehr von den Stilunterschieden, als vielmehr von äußeren Umständen bestimmt. Euwe war gründlich vorbereitet und hatte eiserne Nerven, während Aljechins Allgemeinbefinden zu wünschen übrig ließ. Er rauchte unmäßig, versuchte seine erloschene Inspiration durch Alkohol zu beleben und verschrieb sich als es schlecht um seine Sache Stand sogar der Mystik und dem Aberglauben. Euwe gewann den Wettkampf mit 15½:14½ (13 Remisen) denkbar knapp, wobei er allerdings in der letzten Partie eine gewonnene Stellung remis gab, um eine Hängepartie zu vermeiden.

Sein Sieg war nur von wenigen erwartet worden und verfehlte schon deshalb seine Wirkung auf die Schachöffentlichkeit nicht. Holland war stolz auf seinen Sohn und verlieh Euwe nach dessen Sieg im WM-Kampf einen Orden. Das Interesse für das Schachspiel wuchs in dem kleinen Land sprunghaft an.

Nach seinem Titelgewinn beteiligte sich Euwe an mehrere Turniere mit wechselndem Erfolg. 1936 wurde er in Leiden Erster, in Zandvoort belegte er hinter Fine den zweiten Platz, wobei er Keres, Tartakower, Bogoljubov, Maroczy und andere hinter sich ließ.

In Nottingham musste er Botwinnik und Capablanca, die sich punktgleich an die Spitze setzten, den Vortritt lassen .Er belegte mit Fine und Reshevsky nur den dritten bis fünften Platz.

In Amsterdam teilte er sich vor Exweltmeister Aljechin zusammen mit Fine den ersten und zweiten Preis. Im Sommer 1937 erzielte Euwe in einem doppelrundigen Viererturnier, das in Bad Nauheim, Stuttgart und Garmisch ausgetragen wurde einen 1½:½ Sieg gegen Aljechin und einen 2:0 Erfolg gegen Sämisch. Er unterlag Bogoljubov mit ½:1½, aber der erste Preis war ihm nicht mehr streitig zu machen. Im Herbst gewann Euwe einen kleinen Vergleich gegen Flohr mit 1½:½.

Im Jahr 1937 kam es zum Revanchekampf um die Weltmeisterschaft. Als Euwe auf Aljechin traf, sah er sich einem Gegner gegenüber, der wie umgewandelt schien. Zunächst begann der Wettkampf verheißungsvoll für Euwe, doch dann erwies sich Aljechin, der schachlich, physisch und moralisch ausgezeichnet vorbereitet war, als unwiderstehlich und feierte mit 15½:9½ einen vollständigen Triumph.

Obwohl Euwe nur zwei Jahre hindurch Weltmeister war, hat ihm das Schach viel zu verdanken, zumal er in dieser Periode nur einen kleinen Bruchteil seines Lebenswerkes geschaffen hat. Selbst wenn er nie Weltmeister geworden wäre, müsste man ihn zu den bedeutendsten Meistern aller Zeiten rechnen. Sein Weg zur Spitze, die Ausdauer, mit der er sein Ziel verfolgte und erreichte, aber auch die Beharrlichkeit, mit der er nach der Niederlage weiter an sich arbeitete - all das hat der Schachwelt als Vorbild gedient.

Exweltmeister Euwe beteiligte sich auch weiterhin am Turnierleben. Dank seiner Analysen und Partien galt er als "Botschafter des Schachspiels". Unermüdlich forschte, schrieb, redigierte und organisierte er.

Im Jahr 1938 beteiligte sich Euwe am Avro-Turnier und belegte den vierten bis sechsten Platz. Nach Weihnachten 1939 bis Anfang 1940 spielte Euwe einen Wettkampf mit den jungen estnischen Großmeister Paul Keres. Er endete mit einem knappen 7½:6½ Sieg von Keres. Schauplätze der einzelnen Partien waren Amsterdam, Utrecht, Haag, Rotterdam und Hilversum.

Das Jahr 1940 brachte Euwe einen beachtlichen Matchsieg. Er schlug Bogoljubov mit 6½:3½.

Als der Krieg, der auch die traditionsreichen englischen Turniere unterbrochen hatte, beendet war, fand nach jahrelanger Zwangspause 1945 in Hastings ein Siegesgedenkturnier statt. Im Meisterturnier siegte überraschend der Veteran Tartakower vor dem jungen Schweden Ekström. Euwe vermochte nur den dritten bis fünften Platz zu belegen, punktgleich mit Denker und H. Steiner.

Bald gelang es Euwe jedoch, wieder an seine Vorkriegserfolge anzuknüpfen. 1946 errang er in London den ersten Preis vor Denker und Sir G. Thomas. Im selben Jahr spielte er auch in Zaandam und gewann das Turnier vor L. Szabo und Ekström.

Euwes wechselhafte Ergebnisse wurden in diesen Jahren natürlich besonders von seiner Berufsarbeit beeinflusst. So war er beispielsweise von 1941 bis 1946 als Direktor eines Lebensmittelbetriebes in Amsterdam tätig.

Eine der größten Leistungen seines Lebens vollbrachte Euwe 1946 in Groningen im Staunton-Gedenkturnier. Hinter dem großartigen Sieger Botwinnik der 14½ Punkte erzielte, nahm er trotz stärkster Gegnerschaft mit 14 Punkten einen hervorragenden zweiten Rang ein. In diesem Turnier befand sich Euwe in selten erreichter Hochform. Seine Partien übertrafen, was den künstlerischen Gehalt angeht, sogar diejenigen seines ersten Wettkampfes mit Aljechin !

1947 erreichte Euwe in Mar del Plata gemeinsam mit Bolbochan nur den fünften bis sechsten Platz. Najdorf, Eliskases, Stahlberg und Pilnik vermochten sich vor ihm zu platzieren. Danach belegte er in New York hinter Fine und Najdorf punktgleich mit Pilnik den dritten und vierten Preis. In dieser Zeit reiste Euwe viel umher und gab zahlreiche Simultanvorstellungen.

1948 beteiligte sich Euwe an dem Fünferturnier um die Weltmeisterschaft. In diesem schachhistorischen Treffen sicherte sich Botwinnik durch hervorragendes Spiel den Weltmeistertitel. Der Endstand des Turniers lautete: 1. Botwinnik, 2. Smyslov, 3.-4. Keres und Reshevsky, 5. Euwe. Euwes Ergebnis war enttäuschend. Mehrmals unterlag er infolge grober Fehler.

Ein Turnier jagte das andere. Euwes Ergebnisse waren, wie stets in seiner Laufbahn, unbeständig. Von 1942 bis 1952 erzielte er folgende Ergebnisse.

1949/50 wurde er beim Neujahrsturnier in Hastings unter zehn Teilnehmern hinter L. Szabo und Rossolimo Dritter.

1950 bezwang er Jan Hein Donner in einem Wettkampf mit 2½:1½. Im Schweinburg-Gedenkturnier wurde er Erster vor Rudolf Teschner. In Amsterdam belegte er punktgleich mit Pilnik nur den sechsten bis siebenten Platz. In Luzern wurde er wieder Turniersieger und verwies Pilnik auf den zweiten Platz.

1951 erkämpfte er sich im New Yorker Wertheim-Gedenkturnier einen guten zweiten Platz hinter Samuel Reshevsky, der nur einen halben Punkt Vorsprung hatte.

1952 wurde Euwe in Basel hinter Vidmar zweiter, danach in Beverwijk aber Erster vor O'Kelly.

In Zürich endete er gemeinsam mit Christoffel im toten Rennen hinter Lundin. Sieht man von Amsterdam 1950 ab, so schlug sich Euwe in dieser Flut von Turnieren sehr achtbar.

Im Kandidatenturnier 1953 in Zürich und Neuhausen versuchte Euwe zum letzten Mal in die Kämpfe um die Weltmeisterschaft einzugreifen. In dem doppelrundigen Turnier der fünfzehn Kandidaten belegte er einen enttäuschenden vorletzten Platz. Sieger wurde Smyslov, der sich dadurch zum ersten Mal das Recht erkämpft hatte, Weltmeister Botwinnik zu einem Wettkampf herausfordern zu dürfen.

Zum Jahresbeginn 1956 gewann Euwe zum letzten Mal die Meisterschaft von Holland, indem er Donner in einem Wettkampf mit 7:3 bezwang.

1956 übernahm der Mathematiker Euwe eine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der elektronischen Rechenmaschinen. Ein Jahr später führte ihn eine Studienreise in die USA, wo er sich mit amerikanischen Computern vertraut machen wollte. Während seines Aufenthaltes spielte er mit dem neuen Schachstern der USA, dem damals erst 13jährigen Bobby Fischer, zwei Partien. Die erste gewann Euwe und die zweite endete unentschieden.

1958 wurde das zwanzigste Jubiläumsturnier des Hoogoven Klubs in Beverwijk veranstaltet. Im Meisterturnier des 140 Teilnehmer umfassenden Schachfestivals teilte Euwe mit Donner den ersten und zweiten Platz. Von da an beteiligte sich Euwe nur noch selten an Turnieren. Er spielte zwar in der Olympiamannschaft seines Vaterlandes am Spitzenbrett, trat aber in Einzelturnieren kaum noch in Erscheinung.

Als Schachschriftsteller und -organisator war er jedoch nach wie vor unermüdlich tätig. Der "Botschafter des Schachs" war einer der populärsten Propagandisten des königlichen Spiels.

Von 1970 bis 1978 war er Präsident des Weltschachbundes, der FIDE.

Große Bedeutung erlangte Euwe auch als Theoretiker und Autor. Seine praktische Methode, Partien, Analysen und Kommentare zu ordnen, findet bei zahlreichen Lesern Anklang. Seine Bücher über alle Partiephasen wie die "Theorie der Schacheröffnungen" oder "Das Mittelspiel" sind jedem Spieler ein Begriff.

 

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