"Tals Spiel hat etwas Bewunderungswürdiges, einen
Phantasiereichtum, den man mit Bachs Fugen vergleichen könnte."
(Joszef Hajtun)
Michail Tal wurde am 9. November 1936
in Riga, Lettland, geboren. Sein Vater war in der Stadt ein sehr
angesehener Arzt. Seine Mutter hatte sich als Kunstliebhaberin der Malerei
und der Musik verschrieben. Tals Liebe zur Kunst, insbesondere zur Musik
hatten seine Jugendjahre entscheidend geprägt.
Schon frühzeitig wurde entdeckt, dass der Junge ein
ausgezeichnetes Gedächtnis besaß. Bereits als Dreijähriger lernte er
lesen und vergnügte sich damit, Teile seiner Lektüre auswendig
aufzusagen. Als er fünf Jahre alt war, wurde die Familie nach dem Ural
evakuiert. Dort wurde er eingeschult. Es stellte sich bald heraus, dass er
nicht nur lesen, sondern auch schon dreistellige Zahlen miteinander
multiplizieren konnte. Deshalb durfte er sofort zwei Klassen überspringen
und den Unterricht in der dritten Klasse besuchen.
Er begann sich für das Schach zu interessieren, als er im
Wartezimmer der Arztpraxis seines Vaters, Patienten beim Schachspielen
beobachtete. Mit sieben Jahren erlernte er die Regeln des Spiels von
seinem Cousin. Tal spielte auch leidenschaftlich gern Fußball und stand
im Tor der Universitätsmannschaft. Er hörte begeistert Musik und
zeichnete sich als Klavierspieler aus. Sehr intensiv beschäftigte er sich
mit der Mathematik. Bei verschiedenen mathematischen Wettbewerben und
sogar bei Mathematik-Olympiaden eilte er von Erfolg zu Erfolg.
1948 trat Tal in die Schachabteilung im Rigaer Haus der Pioniere
ein. Seine ganze Freizeit verbrachte er im Klub und vergaß dabei oft das
Mittagessen. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass Schachmeister Alexander
Koblenz im Jahre 1949 Tal unter seine Fittiche nahm, zum Schachspieler
formte und wertvolle Hilfe leistete.
In den Jahren zwischen 1949 und 1952 entwickelte Tal sich stetig,
aber von einer stürmischen Entfaltung oder gar einem Sprung konnte nicht
die Rede sein. Erfolge und Misserfolge wechselten einander ab. Die Ursache
mancher Fehlleistungen lag in seiner Ungeduld begründet. Seine
Lieblingsbeschäftigung war das Blitzspiel, bei dem er seinen unbändigen
Tatendrang austoben konnte.
1951 nahm Tal an der Meisterschaft von Riga, und an der
UdSSR-Meisterschaft der Junioren teil, erreichte aber keine guten
Ergebnisse.
Die Mittelschule hatte er schon 1952 absolviert, wurde aber nicht
zum Studium zugelassen, da er noch keine sechzehn Jahre alt war.
1953 wurde er an der Rigaer Universität immatrikuliert und
studierte russische Sprache und Literatur. Sein erster großer
schachlicher Erfolg war der Gewinn der Meisterschaft von Lettland im
selben Jahr. Als Meisteranwärter bezwang er 1954 Großmeister Saigin
in einem Zweikampf mit 8:6 und erhielt dadurch den Meistertitel.
Die erste ernsthafte Bewährungsprobe hatte Tal 1955 im
Viertelfinale zur UdSSR-Meisterschaft in Vilnius zu bestehen. Er wurde
3.-4. Preisträger, was die Qualifikation für das Halbfinale bedeutete.
Er siegte im Halbfinale und qualifizierte sich damit für die 23. UdSSR -
Meisterschaft 1956, in der er den 5.-7. Platz belegte. Bei der
Mannschaftsweltmeisterschaft der Junioren 1956 in Schweden, spielte Tal am
4. Brett und erzielte 4:1 Punkte.
1957 siegte Tal bei der 24. UdSSR-Meisterschaft in Moskau mit 14:7
vor Paul
Keres und David Bronstein. Der Internationale
Weltschachbund FIDE verlieh ihm den Großmeistertitel. Im gleichen Jahr
beendete Tal das Studium. Seine Diplomarbeit behandelte den Roman "Zwölf
Stühle" von Ilf und Petrow.
1958 gewann Tal in Riga die 25. UdSSR-Meisterschaft (galt
gleichzeitig als Zonenturnier) mit 12½:5½. Mit diesem erkämpften Sieg
behauptete er seine Stellung als Vorkämpfer der Sowjetunion. Sein Erfolg
setzte die ganze Welt in Erstaunen. Zweimal nacheinander hatten sich bis
dahin nur Botwinnik, Keres und Bronstein im Finale der
Meisterschaft der UdSSR durchzusetzen vermocht.
Der Erfolg in der Landesmeisterschaft ebnete Tal den Weg zur
Weltmeisterschaft. Im Interzonenturnier zu
Portoroz (Jugoslawien) 1958 wurde Tal mit 13½:7½ und zweieinhalb Punkten
Vorsprung vor dem Rest des Feldes Erster.
Er qualifizierte sich damit für das Kandidatenfinale zur
Weltmeisterschaft. Auf der 13. Schacholympiade 1958 in München erreichte
er das beste Ergebnis. Mit 13½ Punkten aus 15 Partien gewann er die
Goldmedaille.
Im Jahr 1958 hatte Tal eine Stelle als Lehrer an einer Schule
angenommen. Er fand Vergnügen an dieser Tätigkeit, und die Schüler schwärmten
für ihren strengen, aber offenherzigen und hochgebildeten jungen
Erzieher. Es stimmte ihn deshalb traurig, als er seinen Beruf aufgeben
musste. Seine durch häufige Turniere bedingte Abwesenheit ließ sich
nicht mit der Notwendigkeit des regelmäßigen Unterrichts vereinbaren.
Tal belegte 1959 bei der 26. UdSSR-Meisterschaft in Tiflis hinter
Petrosjan den zweiten Platz.
Er siegte in Zürich im Mai und Juni 1959 mit 11½:3½.
Nach seiner Rückkehr aus Zürich wurde Tal von einem Unwohlsein
befallen. Zunächst vermutete man eine Blinddarmentzündung, erst später
stellte sich heraus, dass es sich um die Nieren handelte. Am 20. August
unterzog er sich einer Operation und bereits am 2. September trat er mit
den sowjetischen Teilnehmern und Sekundanten die Reise zum
Kandidatenturnier an.
Im Oktober 1959 gewann er das Kandidatenturnier
in Bled, Zagreb und Belgrad mit 20:8 und wurde damit Herausforderer von
Weltmeister Michail Botwinnik.
Im März 1960 begann das Match
um die Weltmeisterschaft zwischen Tal und Botwinnik in Moskau. Tal holte
sich den Titel mit 12½:8½ und war mit 23 Jahren der jüngste Weltmeister
der Schachgeschichte.
1985 unterbot Kasparow den Rekord, er wurde mit 22 Jahren und 210
Tagen Weltmeister.
Von 1960 bis 1970 leitete Tal die Herausgabe des Lettischen
Schachmagazins "Sahs".
Im Revanchematch
um die Schachweltmeisterschaft 1961 in Moskau unterlag Tal mit 8:13 gegen
Herausforderer Botwinnik. Tal stellte damit einen traurigen Rekord auf. Er
beherrschte nur für ein Jahr und fünf Tage den Schachthron, die kürzeste
Amtszeit aller Weltmeister.
In Bled 1961 siegte Tal vor Fischer mit 14½:4½. 1962
beteiligte sich Tal in Curacao am Kandidatenturnier,
musste aber aus gesundheitlichen Gründen (Nieren) das Turnier abbrechen.
Bei der UdSSR-Meisterschaft 1962 wurde er mit 13½:5½ Zweiter hinter Kortschnoi.
In Miskolc 1963 wird er mit 12½:2½ Erster.
Im Interzonenturnier
zu Amsterdam 1964 belegte er mit 17 Punkten,
zusammen mit Smyslov, Larsen
und Spassky den 1.-4. Platz.
1965 schlug er bei den Kandidatenwettkämpfen
im Viertelfinale Lajos Portisch mit 5½:2½ Pkt, im Halbfinale Bent
Larsen mit 5½:4½ Pkt, musste sich aber gegen Spassky im Finale mit 7:4
Punkten geschlagen geben.
1966 wurde Tal auf der Schacholympiade in Havanna bei einem Streit
in einer Gastwirtschaft von einer Flasche am Kopf getroffen. Er musste ins
Hospital eingeliefert werden und versäumte dadurch die ersten fünf
Runden.
1967 teilten sich Tal und Lev Polugajewski die
UdSSR-Meisterschaft in Kharkov.
Bei den Kandidatenwettkämpfen
1968 schlug er im Viertelfinale Gligoric mit 5½:3½, verlor aber
eine Runde später im Halbfinale gegen Kortschnoi mit 5½:4½ Punkten.
1969 unterzog sich Tal einer Operation und ließ sich eine kranke
Niere entfernen. 1971 teilte er sich mit Paul Keres den ersten Preis in
Tallinn.
Tal gewann 1972 die UdSSR-Meisterschaft, 1973 Wijk aan Zee und 1973
ein Turnier in Tallinn.
Von Juli 1972 bis April 1973 spielte Tal 86 Partien in
internationalen Turnieren ohne Verlust. Er gewann 47 und spielte 39
Partien Remis.
Beim Interzonenturnier in
Leningrad 1973 teilten sich Tal, Gligoric und Taimanov jeweils mit
8½ Punkten den 8.-10. Platz.
In Hastings 1973/74 teilten sich Tal, Szabo und Kuzmin
den ersten Platz. 1974 gewann Tal ein Turnier in Halle und teilte sich den
ersten Platz mit Beliavsky bei der UdSSR-Meisterschaft in
Leningrad.
Beim Interzonenturnier in Biel
1976 teilten sich Petrosjan, Portisch und Tal mit 12 Punkten den
2.-4. Platz. Im anschließenden Stichkampf um den Einzug ins
Kandidatenturnier schied Tal mit 3½ Punkten aus. Erster wurde Petrosjan
mit 4½ vor Portisch 4 und Tal 3½.
1977 gewann Tal ein Turnier in Leningrad und teilte sich mit Zeschkovsky
die UdSSR-Meisterschaft.
In Montreal 1979 wurde er mit Karpov Erster. Im Rigaer Interzonenturnier
1979 wurde er mit 14 Punkten erster Preisträger und qualifizierte sich
damit für die Kandidatenwettkämpfe. Im Kandidatenwettkampf unterlag er
gleich in der ersten Runde gegen Lev Polugajewski mit 5½:2½ Punkten.
1981 siegte Tal in Riga und Porz. 1982 teilten sich er und Waganjan
den ersten Platz in Moskau. Tal gewann 1982 ein Turnier in Sotschi und
wurde Dritter im Interzonenturnier
zu Moskau.
In Tallinn 1983 teilten sich Tal und Waganjan den ersten Platz.
1985 erreichte er einen geteilten ersten Preis mit Gurevich in
Jurmala.
Im Interzonenturnier
zu Mende Taxco (Mexiko) 1985 wurde Tal mit 10 Punkten Dritter.
Beim Kandidatenturnier in
Montpellier (Frankreich) 1985 belegte er mit 8½ Punkten zusammen mit Jan
Timman den geteilten vierten Platz. Der anschließende Stichkampf
gegen Timman ging mit 3:3 Remis aus. Beim 3:3-Endstand entschied für den
Niederländer die Sonneborn-Berger-Wertung.
In Tiflis 1986 teilte er sich den ersten Preis mit Azmaiparaschvili.
1987 teilte er sich den ersten Platz in Jurmala und siegte in
Termes de Rio Hondo.
1988 gewann Tal die Blitzweltmeisterschaft.
Außergewöhnliche Ergebnisse errang Tal bei den Olympiaden. Er
gewann 59, verlor nur 2 und spielte 32 Partien Remis. In seiner Karriere
spielte er etwa 3000 Turnierpartien und erreichte dabei eine Gewinnquote
von über 65 Prozent.
Tal spielte insgesamt 42 WM-Partien mit einem Ergebnis von 20½:21½
(19 Remisen). Seine höchste Elo-Wertung betrug 2705.
Am 28. Juni 1992 starb Tal im Alter von 55 Jahren in Moskau an
Nierenversagen.
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