Schach im Vogtland

Eine Chronik von Steffen Bandt

Der Fluss der Geschichte ist oft nur an seiner Mündung einer breiten Öffentlichkeit sichtbar, dort, wo meist bekannte Namen den Zustrom der tausend namenlosen Ideen zu bündeln versuchen und alles in wenige Worte fassen. Doch ist der Geschichtsstrom bis zu dieser prominenten Stelle schon viele Male umgeleitet worden, seine Wasser sind trüb und verfälscht. Nur an den Quellen lässt es sich in aller Klarheit trinken. Dort sammeln fleißige Enthusiasten die einzelnen Tropfen zusammen, schicken sie auf den Weg. Die kleinen, oft unscheinbaren Geschichten sind diese Tropfen.

Für die Geschichte des Vogtländischen Schachs hat sich der Plauener Schachfreund Steffen Bandt – mit engagierter Beihilfe zahlreicher Mitarbeiter aus der gesamten Region - diese mühsame Aufgabe aufgeladen und in einjähriger Arbeit eine Chronik zusammengetragen und verfasst, die sich dem „Schach im Vogtland“ widmet. Das im Copyformat mehr als 200 Seiten starke Ergebnis übt sich gleich in doppelter Bescheidenheit: Es versteht sich sowohl als Beginn als auch Zwischenstufe einer noch zu vollendenden Arbeit und es will weniger ein wissenschaftliches, ein „Geschichtsbuch“ sein, als einfach „Freude bereiten und den ‚Weißt-du-noch-Effekt’ auslösen. Dies ist der Anspruch, den es erfüllt, auch wenn es mitunter sogar gelingt, „Spiegelbild“ gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zu werden, insbesondere dann, wenn geschichtsträchtige Zeiten, die sich vor allem um die Jahre 33 und 89 herum zentrieren, besprochen werden. Ansonsten ist es im wesentlichen Materialsammlung; es vereint Literaturrecherchen ebenso wie persönliche Erinnerungen an und von Protagonisten des vogtländischen Schachs. Ausgewogenheit wurde angestrebt, indem die Entwicklung aller regionalen Vereine betrachtet wird, wobei zwangsläufig die großen und erfolgreichen – ganz gleich zu welcher Zeit – besonders Beachtung fanden.

Da es nicht als zusammenhängender Text gestaltet ist, sondern aus „Puzzlesteinen“ besteht, wird dem Leser problemlos gestattet, auch nur in der Chronik zu lesen, wenn er dies denn will.

Im schicksalsträchtigen Revolutionsjahre beginnt die Reise, „die zwei rührige Mitglieder der Leipziger Augustea Anfang Oktober 1849 ins Gebirge unternahmen“ und zu dem kuriosen Schluss kamen: „Im Ganzen genommen wird da oben wenig und das Wenige nicht gut gespielt“ – die nachfolgende Geschichte ist die Widerlegung dieser Aussage. Drei Jahrzehnte später werden die ersten Vereine in Plauen und Oelsnitz gegründet, deren führende Mitglieder Pastoren, Gymnasial-Oberlehrer und Rechtsanwälte waren und die sich an heutigentags historischen und regional legendären Stätten trafen. Nostalgie kommt auf: Einst bekannte Namen, wie - stellvertretend - der des Problemkomponisten Erich Brunner oder des Vereinsvorsitzenden Walter Püchl, werden durch amüsante Anekdoten lebendig, reichlich beigefügtes Bildmaterial leistet ein Übriges. Immer wieder muss der Leser schmunzeln, denn Wissenswertes aus vergangenen Zeiten entbehrt oft nicht einer gewissen Komik; etwa wenn man erfährt, dass es zu einem Internationalen Meisterturnier im Jahre 1926 Schönheitspreise gab, „bestehend aus je einer einmaligen Jahres-Rauch-Rente von 5000 Stück Gildehof Zigaretten, gestiftet von der Haus Bergmann Zigarettenfabrik A.G.“. Bedenklich und bemerkenswert hingegen die Notiz des Klingenthaler Schriftführers Böhm, dessen Familiengeschichte auch Vereinsgeschichte ist, als er schrieb: „Im Herbst 1933 sollte der Schachklub dem National Sozialistischen Schachbund beitreten. Da die Mehrzahl der Mitglieder sich dagegen aussprach, wurde die Auflösung des Schachklubs Klingenthal beschlossen.“

Höhepunkte der jeweiligen Vereinsgeschichte waren ohne Zweifel die Veranstaltungen mit berühmten Schachgrößen; auch über die kann man in der Chronik einiges erfahren. Ob es nun Bogoljubow und Aljechin (?) in Plauen 1935/36 waren oder Edith Keller 1950/52 in Treuen, Schmid und Unzicker in Plauen – was man dem diplomatisch-schlitzohrigen Geschick des Originals Stefan Melnyk zu danken hatte -, ob es Mahlisch in Netzschkau, Knaack in Leubnitz, Uhlmann in Markneukirchen usw. waren, ja selbst der legendäre Schachkauz Emil Joseph Diemer war Gast im Vogtland und hat, wie ein Photo beweist, nicht nur sein geliebtes Gambit gespielt.

Den „Weiß-du-noch-Effekt“ erreichen nicht zuletzt viele Bilder, nicht nur die der Prominenz. Zum Schießen sind mitunter die Abbildungen der regionalen Schachprotagonisten aus vergangenen Zeiten: dass Fide Meister Mario Hackl schon als Juniorenspieler 1988 seine düsteren Metal-Shirts trug, steht stellvertretend für all die langhaarigen, vollbärtigen Schlaghosenträger…

Sportliche Höhepunkte verkörpern die beiden Bundesligamannschaften „Rodewischer Schachmiezen“ und „SK König Plauen“, denen der letzte Teil gewidmet ist. Danach schließlich versiegt der Geschichtsstrom, in anderen Worten: Was man sich darüber erzählen wird, steht noch in den Sternen.

Abgerundet wird die Chronik durch kurze und prägnante Vereinsgeschichten, alphabetisch geordnet von A wie Adorf bis W wie Waldkirchen, und, „Schachspieler lieben die Statistik“, durch einen umfänglichen Tabellenteil, der alle Endstände von 1954 bis 2001 sämtlicher Vereine akribisch auflistet.

Die Schachchronik kann zum Unkostenbetrag per Email bestellt werden unter christian.hoerr@gmx.de: Sie kostet 17,00 EUR (zzgl. Versand) oder kann direkt bei Peter Luban abgeholt werden.

 

Jörg Seidel

 

1. Großvergleich Plauen, Netzschkau, Reichenbach, Zwickau - 1929

 

GM Wolfgang Uhlmann zu Gast zum Simultan

 

G. Leuterer - GM Wolfgang Unzicker zum Simultan 1953

 

Die Plauener Schachikone Rudolf Winkler

 

http://www.koenig-plauen.de
Copyright © 2001 by Christian Hörr. Aktualisiert am 01. Juli 2002.