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1. LANDESKLASSE St. B – Saison 2007/2008
 

Das mandolinenförmige Mufte-Maholy-Fraktal
oder über die Korngröße beim Sandsieben


"Man muss abwarten können. Die Neugierde ist der Tod der Freude." (Erich Kästner)

"Das war heute meine beste Partie vom ganzen Jahr." (Sergej Lozovoy)


Dass der Mufte Maholy für immer ein Mufte Maholy bleiben würde, das hatte Peter Luban mit Hilfe seines Referenzmodells Schichtung der Zeit jahrelang praktisch beobachtet. Aus mehrfach verzweigten mandolinenförmigen Apfellinien erzeugte er zunächst gekrümmte Flächengebilde, die er anschließend polymorph miteinander verschnitt, um schließlich einander bedingende Körper- und Geistesmerkmale gewölbt zu überhöhen oder entsprechend verflacht sichtbar zu machen. Danach konnte es keinen Zweifel mehr geben, dass sich ein Mufte Maholy folgerichtig nur als ein solcher vermehren kann, bis daraus wiederum selbstähnliche unzählige kleine Mufte-Maholy-Exemplare entstehen, wenn man nämlich im Leben gar nichts gelernt hat, allenfalls ahnt, wie Sand gesiebt wird, aber höchstens in Verbindung mit einer Nulleinser Körnung, vielleicht noch mit einer Nulldreier, spätestens jedoch beim Quarzsand hört es schon wieder auf, denn der liegt tief in der Wüste, und bis dahin gelangt so ein Mufte Maholy auf gar keinen Fall, weil dann sein statischer Lebensentwurf all zu leicht ins Schwitzen geraten würde. Ihm wäre schon ein so genannter Aussteigertyp viel zu anstrengend, denn der muss ja vorher erst einmal drin gewesen sein, bevor er überhaupt aussteigen kann.

Zwei unheimlich neugierigen Beobachtern aus dem Nordsächsischen Platten- und Hügelland war es gelungen, für einen Moment drin zu sein, die Partie des Tabellenführers Lok Engelsdorf gegen König Plauen in argwöhnische Beobachtung zu nehmen. Für den SV 1919 Grimma ging es nämlich ausgerechnet im entfernten Plauen, beim Vogtländischen Schachclub, im Falle eines Sieges noch um den eigenen Aufstieg, sollte Engelsdorf gleichzeitig verlieren. Das sensible, leicht verletzliche Engelsdorfer Hausrecht ließ für das nassforsche Grimmaer Beobachterduo nach ganz kurzer Aufenthaltszeit nur den sofortigen Ausstieg nach draußen zu. Im Sinne von achtkantigem Rauswurf. Wer wie Engelsdorf selbst um den Aufstieg kämpft, zwei Runden vor Saisonschluss über drei Punkte Vorsprung verfügt, bei dem kann schnell die Gelassenheit verloren gehen, gerade wenn man in der Nachbarstaffel kurz vor Schluss schon einmal mit drei Punkten vorn lag, ohne dass es danach für den Aufstieg gereicht hätte. Dann hat man ständig eine Fata Morgana vor Augen und wünscht der Konkurrenz nichts sehnlicher als die Flut. Geradeso kann man dann angemeldeten Besuch akzeptieren, der nachgewiesenermaßen ausschließlich zur gegnerischen Mannschaft gehört. Die Plauener Könige warten ja ebenfalls schon lange auf den Aufstieg, aber seit dem Jahr 2005 erwies sich irgendeine Sprosse auf der Aufstiegsleiter bisher immer als viel zu dünn. Und so ging es am letzten Spieltag eigentlich nur darum, wenigstens für den Aufstieg in der kommenden Saison zu üben, also am besten die alte Saison siegreich abzuschließen, und so hätte ein schnelles 4:4 schon aus diesem Grund den Appetit des Plauener Teamchefs auf ein feines Mittagsmahl verdorben, auch wenn die Engelsdorfer nicht mehr wussten, was sie ihren Gästen noch anbieten sollten, im Augenblick, als die Konturen einer Niederlage immer deutlicher zu erkennen waren.

Es begann alles ganz friedlich mit drei Punkteteilungen. Mathias Paul vergab den Eröffnungsvorteil im Kampf gegen die Königsindische Verteidigung, als er zu ungeduldig auf der g-Linie seinen Königsflügel aufgerissen hatte. Dass sich sein Unwohlgefühl danach zufällig mit dem gegnerischen Remisgebot kreuzte, kam ihm gerade recht. Christof Beyer wurde von Dr. Sören Bär unerwartet mit der Skandinavischen Eröffnung konfrontiert, aber nach 20 Zügen einigten sich auch hier beide in ausgeglichener Stellung auf ein Unentschieden. Seine häusliche Vorbereitung bekam hingegen Lion Pfeufer aufs Brett. Gegen FIDE-Meister Dr. Heinz Böhlig verteidigte er lange seinen Eröffnungsvorteil, aber er bevorzugte es dann, den halben Punkt abzusichern, statt energisch auf Gewinn zu setzen. Gegen einen FIDE-Meister bekam auch Andreas Götz schwer zu tun, der schon kurz nach der Eröffnung eine verlorene Position beklagen musste. Fast zu spät bemerkte er, in welche Eröffnung er da geraten war. Er fand sich eben nicht im Benoni wieder, sondern in einem Damenbauernspiel, aber plötzlich gewann er unerwartet eine Qualität und außerdem starken Angriff auf die gelockerte Königsstellung des Gegners. „Was, das war ein FIDE-Meister? Bei dem habe ich einfach die Mattschere angesetzt. Der hat geguckt, als hätte er das noch nie gesehen.“ Und tatsächlich brachte Andreas Götz seinen Gegner mit Dame und Läufer – wie in einer Art Doppelpasskombination – zur Verzweiflung. Und als es auch auf dem Brett von Sergej Lozovoy plötzlich ganz schnell ging, unbemerkt hatte er seinen Gegner in einem taktischen Reigen ausgetanzt, lag der SK König nach diesen beiden Schwarzsiegen aussichtsreich mit 3½:1½ in Führung. Und auch in den restlichen Partien sah es zumeist hoffnungsvoll aus. Der Geschlossene Sizilianer bei Christian Hörr hatte dieses Mal eine völlig andere Qualität als noch zuletzt gegen Lok Leipzig-Mitte. Die ganze Partie über kontrollierte er souverän das Geschehen, dessen nominell viel stärkerer Gegner, Anatoli Pavlov, konnte nur um Ausgleich kämpfen. In der zweiten Skandinavisch-Partie des Tages, zwischen Johannes Titz und Dr. Eckhard Müller, verfügte Johannes Titz im Turmendspiel über zwei gefährliche Freibauern im Zentrum. Nur Etienne Engelhardt stand positionell chancenlos da, das Turm-Springer-Endspiel war am Ende mit zwei Bauern weniger nicht mehr zu halten. Aber dafür hatten die Freibauern bei Johannes Titz das Rennen gemacht. Christian Hörr konnte nun unbeschwert seine Partie beenden, aber beruhigt war er trotzdem nicht, hatte er doch nach feiner Vorarbeit schlicht versäumt, auf dem Feld d6 einen Bauern wegzunehmen, um danach endlich das so wichtige Feld e5 für ein tödliches Schachgebot zur Verfügung zu haben. So aber musste er sich schließlich auf ein Dauerschach einlassen und auch die letzte Weißpartie unentschieden ausgehen lassen. Die drei Schwarzsiege entschieden dieses Mal das Match. Der schönste davon gelang Sergej Lozovoy, der sich danach sofort vorstellen konnte, in der nächsten Saison solche Partien auch am ersten Brett zu zeigen. Aber die Pfeufer’sche Solidität wiegt da sehr schwer, wohl um einiges schwerer als die ständige Ungewissheit, ob der Lozovoy’sche Sandsturm Schaden auf der fremden oder doch nur auf der eigenen Brettseite anrichten würde.

Taktische Oase. 20. … Lxd4! 21. Td1 – b5?! 22. Dxb5 – Dg4
23. Sc3 – Se5 24. Lxd4 – Sxc4 25. Dxc4 – Tac8
26. Dd3 – Txc3! 27. Lxc3 – Dxd1+ 0–1

Gegen die nominell stärkste Mannschaft, den verdienten Aufsteiger Lok Engelsdorf, hat Plauen zwar gewonnen, auch der Tabellenzweite aus Grimma wurde bezwungen, die unnötige Niederlage gegen den Tabellenvorletzten, Lok Leipzig-Mitte III, war aber bis zum Saisonende nicht mehr wettzumachen und bleibt insofern unverzeihlich. Zweimal auf dem zweiten Platz, nun Tabellendritter. Fast scheint es, als haben die Könige keine Lust, jemals groben Sand zu sieben. Wer nämlich aufsteigen möchte, muss auch gegen den VSC gewinnen können. Zu beobachten wird dann auf einmal lächerlich und grotesk, sobald man sich selbst aus dem Blick verliert. Besser also abwarten und dann freuen.

Gemeinsamer Moment der Zweiten zum Saisonabschluss in Engelsdorf.

 

 

SV Lok Engelsdorf
SK König Plauen
3
:
5
FM Dr. Böhlig, Heinz
2176
Pfeufer, Lion
2069
½
:
½
Kürsten, Rüdiger
2088
Lozovoy, Sergej
1984
0
:
1
Dr. Bär, Sören
2016
Beyer, Christof
2003
½
:
½
FM Taubin, Grigory
2088
Götz, Andreas
2061
0
:
1
Pavlov, Anatoli
2070
Hörr, Christian
1889
½
:
½
Prof. Dr. Prüfer, Fr.
2058
Engelhardt, Etienne
1884
1
:
0
Heinsohn, Günther
2076
Paul, Mathias
2143
½
:
½
Dr. Müller, Eckhard
1978
Titz, Johannes
1956
0
:
1

 

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letzte Änderung: 05.12.2022