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19. GEITHAINER SOMMERTURNIER 2004
 

Johannes Titz mit perfektem Einstand
Neuzugang gewinnt B-Turnier / Andere Plauener reißen keine Bäume aus

Die Sommerschachturniere in Geithain vermitteln vor allen Dingen eines: provinzielle Idylle. Für Städter ist das immer ein eigenartiges, ja fast mittelalterliches Gefühl, wenn man kurz hinter Chemnitz die Autobahn verlässt und durch Gegenden fährt, in der sich die Mehrzahl der Dörfer nicht mal ein Ortseingangsschild leisten kann – oder darf, denn oft ist man unschlüssig, ob die Behausungen links und rechts der kurvenreichen Landstraße überhaupt noch bewohnt sind. Bergauf, bergab, S-Kurve hier, Pappelallee da, hüben und drüben Felder so weit das Auge reicht ... das ist die sächsische Provinz, ein Niemandsland im Dreieck zwischen den schillernden Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz.

Fast paradox mutet es da an, dass auch in diesem Jahr wieder sagenhafte 112 Schachspieler den Weg nach Geithain gesucht und offenbar gefunden haben, was nochmals eine Steigerung darstellt und das obwohl sich die Quote der Plauener von 20 auf 8 Prozent reduzierte. Neben der 6-köpfigen Mannschaft fürs A-Turnier, unter ihnen die ehemaligen B-Sieger Stephan Buschmann und Tobias Franz, sollte sich Johannes Titz erstmalig für den SK beweisen und im B-Turnier eine vordere Platzierung landen. Die Geschwister Meyer machten das Team komplett.

Die Freitagabendrunde begann verheißungsvoll. Christian Hörr remisierte sicher und Stephan Buschmann gewann in einer grottenschlechten Partie gegen Steffen Ranft. Jochen und Eddi nahmen trotz einiger Hindernisse ebenfalls den ganzen Punkt mit nach Hause.

Im Autokorso ging es spätabends ins 15 Kilometer entfernte Colditz. Das Führungsfahrzeug erlegte dabei zielsicher einen Igel und mehrere Kröten. Selbst überfahrene Katzen sah man später im Vogelschutzgebiet auf der Fahrbahn liegen. Die Entscheidung, statt in Rochlitz in Colditz zu übernachten, entpuppte sich beinahe als Fiasko, denn so schön die Jugendherberge von außen aussah, so viele Defizite hatte sie bei der Bebettung und im Sanitärtrakt. Wie sich herausstellte, nächtigte man in der Residenz, die sich der hiesige Gauleiter 1938 zu NS-Zeiten extra am Fuße des Schlosses (damals angeblich KZ und Gefängnis) erbauen ließ. Mehr als eine Sanierung kann das Haus in den 65 Jahren seiner Existenz kaum erfahren haben.

An Platz, den Bettenrosten, der Bettwäsche wurde zu sehr gespart.
Auch ein Papierkorb war im gesamten Haus nicht zu finden.

Genauso abenteuerlich wurde die anschließende Suche nach einer Gastronomie. Colditz, immerhin mit dem Stadtrecht versehen, scheint nach 22 Uhr die Lichter auszumachen. Weder Bewohner noch Dönerbuden noch Restaurants wurden im Zentrum rund um den Marktplatz gesehen. Erst der letzte Ausritt des Spähtrupps war ein Erfolg. Im "Waldschlösschen" hoch über der Stadt saßen kurz nach halb elf noch Gäste. Ein müdes Lächeln war die Antwort des Wirts auf die Frage nach der Speisekarte. Keine Chance. Naja, immerhin 'ne Bockwurst könne er noch warm machen. Und für manchen wurde es dann eben ein Doppelbock.

Aussichtsplattform am Hang des Gauleitergrundstücks
(Logenplatz zur Jahrhundertflut 2002 mit Blick auf die Mulde)

Colditz mit Schloss. Auch bekannt für seine vielfältige Kneipenkultur.

Nach einer Nacht mit viel Mückengesumme, nachfedernden und mitschaukelnden Betten (Modell "Hängematte") und nicht enden wollenden Murmellauten konnte wenigstens das reichhaltige Frühstück überzeugen. Dennoch, so schien es, bekam Jochen während seiner Partie gegen Eddi einen Hungerast, stellte prompt eine Figur ein und bekam umgehend das Remis vom mehr von Angst als von Respekt geprägten Widerpart erstattet.

Einzige vereinsinterne Paarung: Bandt – Engelhardt. Remis durch kollektive Angst.

"Ein Land im Sparwahn" dachte man sich dann zum Mittagessen in der hauseigenen Gaststätte. Mehr als ein kleiner Teller Kartoffelsuppe schien im 20-Euro-Startgeld nicht enthalten zu sein. Der örtliche Aldi-Markt rettete die Nachmittagsrunde. Dort schraubte Eddi sein Punktekonto dann schon auf 2½ aus 3, während Jochen leider überzog und auch die anderen mehr schlecht als recht spielten. Einzig Johannes Titz blieb punktemäßig noch im Soll. Mit viel, viel Dusel stand er bei 100%, und langsam schien sich anzukündigen, was keiner aussprechen wollte.

Nach der überzeugenden Bockwurstsession am Freitag war auch am Samstag wieder das "Waldschlösschen" angesagt. Es überraschte diesmal mit Mensa-ähnlichen Leckerbissen wie Spaghetti Carbonara, Schnitzel mit Pommes, Rostbrätl oder Bauernfrühstück. Obwohl man sich den Eisgang hätte sparen können, wurde reichlich Trinkgeld gegeben. Trotz Hartz IV. Oder gerade deswegen.

Die zweite Nacht in den Hängematten verlief ruhiger. Zu müde zum Murmeln, die Mücken vertrieben vom ätzenden Biergeruch auf dem Fußboden.

Ach ja, schon wieder Schach am Sonntag. Engelhardt gegen Schenk wurde zu einer einseitigen Angelegenheit für den Turniersieger – wieder aus der Traum vom Platz auf dem Treppchen. Johannes Titz fuhr den vierten Punkt ein. In der letzten Runde stand er dann wieder klar schlechter, profitierte aber vom Übermut des Gegners und machte im Turmendspiel endgültig den Sack zu. 5 aus 5 bedeuteten den Turniersieg und die Qualifikation für das A-Turnier für unseren Neuzugang vom VSC Plauen. Seit drei Jahren ist das B-Turnier damit schon fest in Plauener Hand.

Johannes Titz: Sieger mit 100% im B-Turnier

Bis auf Tobias Franz wurde es für alle ein versöhnlicher Abschluss. In einer extrem taktischen Partie stellte er im Zeitnotfinish die inzwischen gewonnene Stellung mit Mehrqualität quasi einzügig ein. Zwar musste Christian Hörr für seine beiden Siege die vollen acht Stunden am Brett sitzen, aber so wurde nach der "kleinen Rochade" vom Vortag der Einsatz wenigstens belohnt. Die großen Überraschungen im A-Turnier blieben insgesamt aber aus.

 

Wohl wird der Verein der Provinz auch nächstes Jahr einen Besuch abstatten, wenigstens um den Titel zu verteidigen. Allerdings fällt auf, dass das Turnier etwas an Attraktivität für die Könige eingebüßt hat. Pardubice hat sich ganz klar zum Höhepunkt des Sommers gemausert und auch sonst sind 70 Euro für zweieinhalb Tage Gammelschach eine Menge Holz. Eben gerade wegen Hartz IV, wie auch der Bürgermeister der Stadt Geithain bemerkte und damit erneut der Versuchung nicht widerstehen konnte, aus seiner Dankesrede eine Wahlkampfveranstaltung zu machen.

 

Endstand A-Turnier (38 Teilnehmer):

Pl.
Name
Verein
DWZ
Pkt.
1.
Schenk, Alexander
USG Chemnitz
2204
4.5
2.
Schulte, Jürgen
SC 1911 Großröhrsdorf
2136
4.0
3.
Döring, Hans-Ulrich
SV Eiche Reichenbrand
2126
3.5
10.
Engelhardt, Etienne
SK König Plauen
1915
3.0
11.
Bandt, Jochen
SK König Plauen
2005
3.0
18.
Buschmann, Stephan
SK König Plauen
1826
2.5
22.
Hörr, Christian
SK König Plauen
1826
2.5
27.
Gerbeth, Frank
SK König Plauen
1775
2.0
34.
Franz, Tobias
SK König Plauen
1710
1.5

 

Endstand B-Turnier (74 Teilnehmer):

Pl.
Name
Verein
DWZ
Pkt.
1.
Titz, Johannes
SK König Plauen
1675
5.0
2.
Frieden, Stephan
Burgstädter TSV
1680
4.5
3.
Kynaß, Leonard
–––
4.0
50.
Meyer, Sandra
SK König Plauen
1385
2.0
53.
Meyer, Stephan
SK König Plauen
1230
2.0

 

chö
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letzte Änderung: 05.12.2022