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REZENSION
16. Juni 2009


Metachess

"Metachess" – eine eigenwillige Namensgebung für ein Buch, für ein Buch in Sachen Schach. Der Autor Jörg Seidel hat die aus dem Altgriechischen stammende Wortsilbe "meta", was soviel wie "danach, hinter, jenseits" heißt, mit dem englischen Wort "chess" für Schach kombiniert. "Metachess" erweitert die Metaphysik auf das Schach, auf die klassischen Fragen zum Schachspiel. "Was ist Schach?" dürfte die Grundfrage sein.

Metachess ist kein Lesebuch, es ist eine Einladung zur tiefen und auch anstrengenden Auseinandersetzung mit Dingen, die mit Schach in Verbindung stehen, und Dingen, für die Schach steht. Dabei aber ist Metachess doch auch wieder ein Lesebuch, denn manche Beiträge werfen nur ein Licht auf sonst vielleicht dem Vergessen geweihte Episoden.

Damit sind wir beim Aufbau des Werkes. Es enthält 32 in sich geschlossene "Essays, Artikel und Besprechungen", um den Rückentext zu zitieren. Diese sind so vielfältig und verschiedenartig, wie schon die Einzeltitel versprechen. Eine kleine Auswahl:

  • Warum der Computer den Menschen nicht besiegen kann
  • Schachphilosophie
  • Gedanken zur Ferne im Fernschach
  • Körperwelten. Innenansichten des Schachspielers.
  • Bond, James Bond. Der Spieler.
  • Geschichte des Deutschen Arbeiterschach
  • Theaterstadl - O diese Schachspieler.

Die letztgenannte Besprechung eines nicht bedeutenden Theaterstückes müsste man vielleicht nicht in dieser Aufstellung hervorheben, enthielte sie nicht eine Partiestellung, die nun gerade den Rezensenten fasziniert. "Weiß im Schachmatt stehend zieht dennoch und setzt in 2 Zügen matt". Geht nicht, mag man meinen. Geht! Auf die Regelinterpretation kommt es an. Metachess wirft auch einen Blick hinter die Kulissen.

"Schwere Kost" findet der Leser in "Warum der Computer den Menschen nicht besiegen kann". Ihr besonderer Reiz liegt in der Logik der Untersuchung und der eigenen Überlegungen auf die philosophisch interessanten Fragen "Was macht der Computer, wenn der Mensch mal eine Schachregel ändern sollte?" und "Wie wirkt es sich auf den Wettstreit Mensch/Computer aus, wenn der Mensch eine fundamental neue und bessere Schachstrategie entdecken sollte?".

Besondere Herausforderungen sind Beiträge wie "Beitrag zu einer spekulativen Metapsychik des Schachs" und "Wilhelm Junk: Philosophie des Schachs" und weitere. Schwer zu lesen, schwer zu verstehen, interessant und das Verständnis erweiternd.

Aufgrund der eigenen schachlichen Orientierung fand der Beitrag "Gedanken zur Ferne im Fernschach" die besondere Aufmerksamkeit des Rezensenten. Jörg Seidel setzt die Entwicklung des Fernschachs aus dem Nahschach mit der Entwicklung der Kriegswaffen zu solchen mit Ferneinsatz und Fernwirkung in Beziehung. Er sieht es als natürlich an, dass ein Fernschachspieler unerlaubte Hilfsmittel einsetzt ("Man sollte also von vornherein vom Fernschachspieler nicht erwarten, auf den Gebrauch unerlaubter Hilfsmittel zu verzichten, ebenso wenig wie man vom modernen Kanonier auf unmittelbare Nächstenliebe hoffen darf (S. 145))". Der Fernschachspieler aber muss hier den Autor der verkürzten Betrachtung rügen, vermisst er doch die Erörterung des philosophischen Auswegs, nämlich der Adelung aller Hilfsmittel. Der charakterlich ungefestigste Mensch, der geborene Schummler, der sich auf Kosten anderer zu profilieren trachtende Egomane ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn es keine verbotenen Hilfsmittel gibt. Wogegen sollte er verstoßen, wenn es nichts zum verstoßen gibt?

Es ist unmöglich, im Rahmen dieser Besprechung alles zumindest anzureißen, was zu einer Erwähnung reizt, denn zu vielseitig, zu vielgestaltig und zu komplex sind die auf 428 Seiten erstreckten Inhalte. Den Abschluss der Rezension soll der letzte Beitrag im Buch selbst bilden, "Schach dem Schach" betitelt. Seidel untersucht darin die Verbreitung des Schachspiels als Metapher und urteilt, dass es hierüber sogar seinen größten Erfolg feiere. Er bildet eine lange Reihe von Buchtiteln, in denen irgendjemandem oder -etwas Schach geboten wird. Sinnige und unsinnige Schachgebote gibt es auf dem Brett und in Buchtiteln. Man erkennt die gleichartige Motivation: Hauptsache Schach!

Noch ein Wort zum Erscheinungsbild des Buches. Hier hat der Verlag Hervorragendes geleistet und mit äußerster Akribie gearbeitet, so dass das Schriftbild ein ästhetischer Genuss ist. Von klassischen Setzfehlern ist nichts zu finden (Zeilenabstände, Trennungen, Buchstabenabstände, Fonts etc) - hieran könnten sich selbst berühmte Verlage mit großen Auflagen ein Beispiel nehmen. Da hat sich jemand Zeit gelassen und das sieht man.

Metachess ist eine gute Partie!

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Charlatan-Verlag, Rostock, zur Verfügung gestellt.

(Uwe Bekemann)

Jörg Seidel
"Metachess. Zur Philosophie, Psychologie und Literatur des Schachs"
Edition Grundreihe
ISBN: 978-3-937206-07-3
Paperback, 14,8 x 21 cm
426 Seiten, Preis: 22,90 Euro

 

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