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LITERATUR
8. September 2004

Abigail Bosanko: Lazy Ways to Make a Living

Mögen Sie Bridget Jones? Gefällt Ihnen "Sex and the City?" Stehen Sie auf intelligente Comedy, auf rasendschnelle Dialoge? Dann werden Sie von diesem Buch begeistert sein!

In ihrem Erstling entfacht Abigail Bosanko ein wahres Ideenfeuerwerk, das um so mehr überwältigt, als der berühmte erste Eindruck einmal mehr trügt. Was die Verlagspräsentation verspricht, sind jede Menge Schmalz, Herz und Schmerz. Und tatsächlich, das Buch trieft; man kann fast jene verstehen, die das unerträglich finden. Aber sie werden dem Buch durchaus nicht gerecht, denn es hat außerdem fast alle Zutaten, die ein gelungenes Buch heutzutage braucht: es ist wohlkonstruiert, intelligent strukturiert, es ist konsistent, sehr flott und abwechslungsreich geschrieben, frisch, frivol und unglaublich lustig. Was zählen da noch scheinbar unerträgliche Klischees - sie können in diesem Kontext doch nur selbstironisch gemeint sein. Man muss schon ein sehr verbitterter Leser sein, wenn man sich an derartigen Oberflächlichkeiten aufreibt.

Rose Budleigh, die mittlere dreier hellwacher und bildhübscher Schwestern, übt den ungewöhnlichen Beruf einer Lexikographin aus und so herausragend sie im Fache sein mag, ein so seltenes Interesse kann keinen allgemein anerkannten Erfolg bringen. Sie lebt in der zurückgezogenen akademischen Welt der Sprache und Etymologie, aus der sie durch die große, die ganz große Liebe herausgerissen wird. Jamie, ein einstiger Schachturniergegner - man lernte sich (aufregender geht es kaum) bei einem zünftigen Königs- und Muziogambit kennen - scheint die Verwirklichung aller Träume zu sein, solange zumindest bis eine zu lang verheimlichte Lüge zu Tage tritt. Als der Traum vorüber ist, regiert das blanke Chaos in Roses Gefühlsleben. Über tausend Umwege versuchen die beiden Liebeskranken wieder zueinander zu finden und verfehlen sich doch beständig. Es gibt überhaupt nur noch zwei Konstanten in ihrem Leben: die Liebe und das Schach - die man gut und gerne auch zusammenfassen kann. Rose übersetzt Liebe in Schach und Schach in Liebe und das ist weiß Gott nicht der schlechteste Übersetzungsfehler, den man machen kann. Er enthält nicht nur die Liebe zum Schach, sondern auch eine tiefe Wahrheit über beides: die Liebe und das Schach. Fast immer, wenn sie ihre innigsten Gefühle zur Sprache bringt, greift Rose auf Schachbegriffe, -analogien und -allegorien zurück und gelangt durch diese Gleichstellung zu sehr originellen Aufschlüssen.

"One of the reasons I like the game is because everything is visible. No secrets, no hidden cards, no deception. There is nothing but the truth of the position. - How do you explain a discovered check, then? - Check is the truth of the position. It's only a discovered check if you didn't see it coming" (130f.)

"…theatre, chess, music and sex. All the things I care for in life require a perfect sense of timing" (88). …

Damit erschöpft sich die Rolle des Spiels nun keineswegs, denn es webt auch gestalterisch den roten Faden und findet zahllose weitere Referenzen, ohne je aufdringlich im Vordergrund zu stehen, aber dieser ausdrucksstarke Liebes-Schach-Gedanke glänzt von allen am hellsten.

"Falling in love meant gambling everything on a piece of hopeful speculation" (92).

"Compromise is what makes a marriage work. Sacrifice is what makes it last. … When does a compromise become a sacrifice? When you don't get something of equal value in return. Think of Exchanges. … When you surrender a piece, you might well be compromised. Obviously, you've made a sacrifice, but if it turns out you win you can call it a gambit" (258f.).

… um nur zwei Beispiele zu geben.

Will man dieses quicklebendige Werk auf eine Formel bringen, dann bietet sich die werkeigene vielleicht am besten an: "a passionate chess-sex-cash tryst". Kann so eine Geschichte denn anders als mit einem peinlichen Happy End schließen?

Abigail Bosanko schreibt wie Bob Ross malt: sie macht die Dinge so kinderleicht aussehend; alles scheint schnell hingeworfen und ergibt zum Abschluss doch ein täuschend echtes, farbenfrohes, lebendiges Bild, das man fast für ein Kunstwerk hätte halten können. Dabei ist alles nur Handwerk, aber perfekt beherrschtes. Bosanko is a natural.

Dem Genre mag man, will man sich zu einer numerischen Bewertung herunterlassen, fünf von zehn Punkten geben, das Buch jedoch, in jenen Grenzen, verdient die volle Punktzahl.

 

Abigail Bosanko: Lazy Ways to Make a Living. London 2002. 314 Seiten
Das Buch ist unter dem Titel " Weiße Dame setzt auf Liebe " auch auf Deutsch erschienen.

 

 

--- Jörg Seidel, 08.09.2004 ---


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