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LITERATUR
21. August 2003

Eric Clark: Black Gambit


Im Jahre 1974, in dem Solschenizyn aus der UdSSR ausgewiesen wurde und etwa zeitgleich das Impeachment-Verfahren gegen Nixon den Höhepunkt der Watergate-Affäre bildet, gerät Zorin, Moskauer Wissenschaftler und namhafter Dissident, ins Visier der beiden Großmächte. Sie wollen an ihm ein Exempel statuieren: Die einen halten ihn gefangen, weisen seine jüdische Frau aus, foltern und bespitzeln ihn, die anderen planen aus politischem Kalkül heraus seine Flucht. Um diese verwirklichen zu können wird ein Double gesucht, jemand der Zorin über einige Tage lang überzeugend spielen kann, seine Anwesenheit vorzutäuschen. Man findet den geeigneten Mann in Parker, ein wegen Mordes lebenslang inhaftierter Strafgefangener, für den sich plötzlich das Tor zur Freiheit zu öffnen scheint. Sie riskieren ihr Leben.

Beide verbindet, ohne dass sie voneinander wissen, die Liebe zum Schach. Für beide gehört es zum täglichen Überlebensprogramm unter ansonsten kaum noch lebenswerten Bedingungen. Es gehört zur natürlichen Umwelt des Intellektuellen –

"bookshelves, table and chairs…, two chess sets, books and magazines…" (17) –

und zum täglichen Programm des Häftlings:

"In practice it meant filling the day with events: exercising, reading, writing, working out chess moves. Prison confined you, but you lived as possible within those confines” (97).

Der Plan wird in die Tat umgesetzt, alles scheint wie vorausgesehen zu gelingen; Zorin flieht als Parker nach Amsterdam, Parker hält als Zorin die Stellung. "The plan was basically simple". Doch wie im Schach kann auch der einfachste Plan am Unvorhergesehenen, am Zufall, am unübersichtlichen Gemisch der Interessen, am Gegner, am eigenen Unvermögen scheitern. Die nun folgende Katastrophe aus der nur die unantastbaren Drahtzieher gestärkt hervorgehen, kann als Sinnbild menschlichen Tuns gelesen werden. Das Leben ist zu voll, als dass alle Eventualitäten geplant werden könnten. Deshalb geht jede konzertierte Aktion mit ihrem Scheitern schwanger und das Resultat ist von niemandem gewollt und doch von allen verursacht. Diesbezüglich ist die große Schachklammer, die das geradlinig und spannend geschriebene Buch umfasst, durchaus schlüssig. Auch stilistisch macht die literarische Reduktion des an sich zu komplizierten (Spiel des) Lebens die Schachanalogie sinnvoll, sofern man die Reduktion akzeptiert. Daher wirken eigentlich pathetische Szenen wie die folgende, in der Parker erstmals Zorins verlassenen Raum betritt, dennoch glaubhaft:

" …there was a game in progress on the chessboard. It was a game he recognized, a good one to reenact because of its twists and excitements. But it was an odd one for Zorin to choose at a time like this.

As an avid chess player Parker knew that, notwithstanding what people believe, luck can play a part in chess.

This game was known as ‘Steinitz’s missed immortal,’ played back in the 1880’s. Its great interest lay in the fact that the player who should theoretically have won had pursued a policy of sacrificing pieces in order to ensure his final victory – but had, in fact, lost the game because of precisely the element of bad luck. …

Parker wandered back to the chessboard, picked up a queen and took a rook. Did the game reflect Zorin’s fear? Or was Parker reading too much into too little?" (171f.).

Über derartige Bilder hinaus ist es aber besagte Schachklammer, die das Buch wirklich interessant macht. "Black Gambit" schreit es in roten Lettern dem Leser entgegen – Schwarz ist es wegen seiner menschenverachtenden Perfidie - und erklärt noch vor dem Text:

"GAMBIT: A chess move in which a player voluntarily sacrifices one or more pawns in an attempt to gain long-term advantage”.

Und auf dem Rückumschlag weiß es folgendes mitzuteilen:

"Power politics is a game of chess between nations. Ambitious men plan the strat-egy, but the pieces they move are men too. This is the story of two men whose lives are at stake. Two men who are pawns in a game between the U.S. and the U.S.S.R. The next move is a maneuver of sacrifice”.

Menschenleben spielen keine Rolle, sie werden geopfert, wo es den Führern der Spielsteine legitim erscheint, wo es größere Ziele anzustreben gilt, ganz gleich ob Ost oder West. Beide sitzen der utopistischen Illusion einer besseren Welt auf, aber die Welt ist auch nach einem grausamen Ende nicht besser geworden…

Zumindest aber reicher um ein wirklich spannendes Buch.

Eric Clark: Black Gambit. Warner Books. New York 1979 (1977). 222 Seiten

 

--- Jörg Seidel, 21.08.2003 --


Dieser Text ist geistiges Eigentum von Jörg Seidel und darf ohne seine schriftliche Zustimmung in keiner Form vervielfältigt oder weiter verwendet werden. Der Autor behält sich alle Rechte vor. Bitte beachten Sie dazu auch unseren Haftungsausschluss.

 

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