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LITERATUR
22. Juli 2003

Michael Dobbs: Schach dem König

Politics is perhaps the unkindest, least charitable form of ritualized abuse allowed within the law; the trick is to pretend it doesn't hurt.

Michael Dobbs


Wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was Michael Dobbs in seiner Bestseller-Trilogie um den britischen Premierminister Francis Urquhart andeutet, dann ist hohe Politik, hinter den Fassaden, tatsächlich so dreckig und verkommen, wie wir es immer schon vermuteten. Dobbs zeichnet ein großartiges Gemälde des politischen Lebens auf höchster Ebene, das sich zwar nicht durch virtuose sprachliche Behandlung des Stoffs auszeichnet, aber die stilistische Geradlinigkeit wird durch das, was wir zu sehen bekommen, wett gemacht, so wie ein skandalöses Paparazzi-Foto von miserabler Qualität sein kann und trotzdem alle Blicke auf sich zieht. Ohne Zweifel versteht der Autor sein Handwerk, auch wenn er kein Künstler ist; was seine Bücher jedoch besonders attraktiv macht, ist der Schein der Authentizität, denn Dobbs ist einer, so erfährt man, der viele Jahre im inneren Zirkel der Macht, an der Seite Margaret Thatchers und John Majors verbrachte. Plaudert er aus der Schule oder ist alles nur Fiktion? "Inside information. It’s what makes the world go round".

Besonders im ersten Band – "House of Cards" -, welches den Aufstieg des fast namenlosen Präsidentenberaters Urquhart zum politischen Olymp schildert, gelingt es ihm recht überzeugend, das Geflecht von Medien-Politik-Wirtschaft zu entwirren, dessen Hauptstränge aus Intrigen, Manipulation, Spionage, aus Schauspiel, Karrierismus und Affären zu bestehen scheinen, legt er dar, wie Macht korrumpiert, persönliche Beziehungen verändern lässt, vor allem aber, wie sehr moderne Politik mediengesteuert ist. Hauptthema des politischen Alltags sind demzufolge Statistiken und Meinungsumfragen - "Opinion polls are the weapon of civil war" – und Papier ist bekanntlich geduldig. Politiker beschäftigen sich vor allem mit einem: mit sich selbst und selbstgeschaffenen Problemen und Skandalen.

Leider bleibt der zweite Band – "To Play the King" - weit hinter der eigenen Leistung zurück, nicht zuletzt weil die Gesamtheit der Komponenten auf eine einzige reduziert wird, auf den Sex. Das mag zwar dem Verkauf dienlich sein, der literarische und informative Wert wird dadurch allerdings wesentlich gemindert. Geschildert werden Urquharts erste Wochen als neuer Premier und dessen Kampf gegen die Monarchie. In nahezu prophetischem Ton – manches wurde später tatsächlich Wahrheit (z.B. Lady Di) – entwirft er den in Skandale verstrickten Untergang der Royals.

Elf Jahre später begegnet man Urquhart erneut in "The Final Cut", in dem Dobbs seinen analytischen Geist weitestgehend zugunsten des "thrills" aufgibt, was das Buch auf andere Art und Weise wieder gut lesbar macht. Endlich holt den gestandenen PM die eigene unrühmliche Kriegsvergangenheit ein und außenpolitische Verwicklungen wachsen ihm über den Kopf. Das Buch, welches auf dem deutschen Markt unter "Schach dem König" inklusive abgebildeter Schachfigur, gehandelt wird, endet in einem furiosen Finale, das so großartig wie unwahrscheinlich ist. Mit Schach freilich hat es noch weniger zu tun als mit politischer Realität. Sieht man mal von einigen spiel- und schachmetaphorischen Wendungen, wo von Bauern auf dem großen Schachbrett ("a pawn like a million others in the game of the great" [1]) oder einer Remisstellung [2] die Rede ist u.ä., ab, so gibt es in der gesamten Trilogie überhaupt nur eine einzige, noch dazu irrelevante, Schachreferenz: "The informality of their earlier meetings had been replaced by an almost theatrical precision, like two chess players taking patient turns with the pieces [3] " Es ist daher irrig, wenn man "Schach dem König" noch immer in Schachliteraturlisten findet [4].

Micheal Dobbs:
House of Cards. London 1993 (1989). 384 Seiten (dt. Ein Kartenhaus)
To Play the King. London 1993 (1992). 316 Seiten (dt. Um Kopf und Krone. Intrigen aus dem Zentrum der Macht)
The Final Cut. London 1995. 478 Seiten (dt. Schach dem König)

Die Trilogie wurde von BBC in einer erfolgreichen Serie verfilmt:
http://www.tvheaven.ca/fu.htm

 

--- Jörg Seidel, 22.07.2003 ---


[1] House of Cards, 343
[2] The Final Cut, 168
[3] To Play the King, 126
[4] z.B.: http://www.planet-interkom.de/klaus.raczek/schach.htm
http://www.toms-krimitreff.de/schachkrimis.html


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