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LITERATUR
17. November 2004

Rutherford Watters: Murder in Three Moves

If this mystery, this business of the death of Strang, were a chess-problem, a baffling problem, a good old-fashioned enigma by Sam Loyd, - how would you set about solving it?


Es ist doch eine Freude – eine viel zu seltene leider – ein wirklich rundes Buch besprechen zu dürfen. Hinter dem unscheinbaren Titel "Murder in Three Moves" verbirgt sich ein solches.

Nur zwei Mal hat der irische Dichter Rutherford Watters (1919-1982), der sich einen Namen in der gälischen Literatur als Poet machte [1], sich fürs Englische entschieden und dies – soweit lässt sich nach der Lektüre dieses Krimis schließen – mit bemerkenswerter Virtuosität. Nur manchmal kann er es sich nicht verkneifen, den eigenartigen Klang seiner so einzigartigen Muttersprache hören und lesen zu lassen. Dominant bleibt trotz allem jener typisch gehobene englische Plauderton alter Schule, den man nur bei Autoren wie Conan Doyle, Agatha Christie, bei Arnold Bennett, Evelyn Waugh und wenigen anderen findet, der heute, in der zeitgenössischen Literatur ausgestorben zu sein scheint. Er steckt voller wortspielerischer Ironie und verstecktem Witz. Nur so kann es gelingen, eine ganze Palette von markanten Charakteren, Urbewohnern der fernen irischen Atlantikküste auf wenigen Seiten doch kraftvoll zu zeichnen. Diese Menschen sind rau und ungeschliffen, erscheinen dem kontinentalen Leser fremd und sind doch so menschlich: "…these were strange people, different in their way of thinking and in their slant upon life from the ordinary run of simple Englishmen".

Mitten hinein in diesen Schlag ungehobelter Klanmenschen verschlägt es Blake – "the world-famous chess-composer and cryptologist" - und Sprole, einen frisch gebackenen Erfolgspoeten. Man möchte die Ruhe genießen, wandern, angeln… aber der erste Fisch, der Sprole an die Leine geht ist die Leiche des Malers Strang, dessen unangenehme Bekanntschaft man bereits auf Schiffs- und Bahnreise machen musste. Erst als übereifrige Polizisten den armen Sprole verdächtigen, entschließt sich der zurückhaltende Blake den Fall im Alleingang zu lösen… with his chessplayer’s eyes". Glaubhaft werden dabei nicht nur persönliche Dramen entfaltet, sondern auch bittere, kriegerische Stunden des Irisch-Englischen Bruderzwistes wiederbelebt, alte Wunden aufgerissen und – vor allem – zu heilen versucht! Blake und Sprole agieren hier wie Holmes und Watson. Die biographischen und stilistischen Parallelen sind zu offensichtlich um sie verheimlichen zu können: Sproles der Erzähler, die Militärzeit, die Verkleidungen, die Rollenverteilung, der Witz etc. und was Holmes die Violine war, das ist Blake das Schachspiel, die Schachkomposition, um exakt zu sein. An ihm erholt er sich, an ihm erregt er sich, es dient ihm auch, Lebenskränkungen zu verwinden:

"I picked up a chesspiece, fingering the cool ivory outline. ‚Yes’, he said, understanding my thought, ‚that has helped. But the life of a man is more difficult to compose than a chess-problem".

Überhaupt ist es das erste, was der Leser von dieser interessanten Gestalt erfährt:

"By now the room was alive and leaping in the firelight. There were chesspieces everywhere and in the oddest attitudes: a heap of blank chess-diagrams lay piled on a chair and had spilled over on to the floor; technical journals and magazines lay wide-open on the central table, exposing like spoiled tombs their alien hieroglyphics; among these latter was set the precious board, with squares inlaid of ivory and green jade; which he had won in the Indian tournament the year before. On this stood a pattern of pieces, Blake’s latest composition, a mate in three. And in the centre of the opposite wall hung a framed drawing of Sam Loyd, the Chaucer of the chess-problem”.

Damit ist mehr geleistet als die bloße Charakterisierung eines ungewöhnlich scharfen Kopfes und kühlen Temperaments, denn es ist das Schach, welches die Hilfestellung zur Lösung des verzwickten Falles gibt und die entscheidende Türen öffnet. Blakes großer Durchbruch gelingt beim örtlichen Pfarrer, selbst ein Aficionado des Spiels. Als dieser erfährt, dass der große Blake in seiner ärmlichen Hütte steht – nur vom Sam-Loyd-Portrait geschmückt -, werden ihm erstmals die Herzen geöffnet, Vertrauen geschenkt und ein methodischer Weg gebahnt:

"If this mystery, this business of the death of Strang, were a chess-problem, a baffling problem, a good old-fashioned enigma by Sam Loyd, - how would you set about solving it? – Faced with such a problem, I should analyse the situation in order to isolate the major pieces on the board. In all such intricate problems, certain pieces emerge as the dominant pieces in the interplay of forces”.

Die stimmige Lösung des Rätsels ist trotz allem überraschend. Sie besitzt dramatische Größe.

Rutherford Watters: Murder in Three Moves. Dublin 1960. 317 Seiten.

 

--- Jörg Seidel, 17.11.2004 ---


[1] http://www.irishwriters-online.com/eugenewatters.html
http://www.pgil-eirdata.org/html/pgil_datasets/authors/o/OTuairisc,E/life.htm#OSnoddy


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