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Das Spiel des Lebens von seinen Grenzen her betrachtet.
"Schach der Königin" von Renato
Ghiotto
Getrieben von abstrusen Phantasien,
die sich um ein imaginäres Beziehungsdreieck drehen,
und auf der bekannten Suche "nach sich selbst",
begibt sich Silvia, eine noch junge und doch schon erfahrene
Frau (geschieden, verschiedene Studien, Zeit im Ausland...)
in Margarets Dienste, die, gefeierter Kinostar, von
ihr vor allem eines verlangt: "Sie gehorchen und
bewegen sich nicht; Sie denken nicht, Sie verhalten
sich ruhig, wenn Sie mit mir zusammen sind, und ich
sehe und höre nichts von Ihnen" (22). Silvia
akzeptiert die unzeitgemäßen Bedingungen,
betrachtet sich dabei als im Selbstversuch befindlich
und verfolgt einen Plan, der vereinfacht mit "Wer
wird gewinnen" benannt werden könnte.
Dies sind die Ausgangsdaten einer unwirklichen
Geschichte mit unzähligen Ent- und Verwicklungen,
mit vielfältigen Stadien einer Zweierbeziehung,
an der Drittpersonen, zumal Männer, nur ganz am
Rande teilhaben, immer nur als Personal oder als Werkzeug
im großen Spiel der weiblichen Phantasie. Was
die beiden de forma durchexerzieren ist der geschichtliche
Werdegang der Menschheit im zehnmonatigen Schnelldurchlauf:
von der Sklaverei zur Emanzipation, von der Despotie
zur proletarischen Revolution. Dabei sind die Kombattanten
alles andere als ebenbürtig; der Leinwanderfolg
Margarets katapultiert sie in eine quasigöttliche
Position, vollkommen entfernt von der Alltagsrealität,
glaubt sie ihre primitiven und animalischen Triebe,
die immer nur mehr haben wollen, frei ausleben zu können.
Ihre Gegenspielerin hingegen bleibt ein großes
Rätsel, eine hochkomplexe Figur, deren Antriebe
selten zu begreifen sind, nur eines ist klar: die unglaubliche
Selbstliebe, die sich nicht zuletzt in permanenten Selbstbespiegelungen
offenbart.
Zwei
schöne Frauen loten die Extreme des Femininen aus,
auf prägnant lakonische Art und Weise, und aus
Silvias Sicht geschildert. Ihre Sprache ist nahezu emotionslos,
als würde sie den Wetterbericht verlesen oder ein
psychiatrisches Gutachten. Wenn sie von sich spricht,
dann klingt das wie aus großer Entfernung. Doch
hinter den lapidaren Worten versteckt sich das zwischenmenschliche
Drama in all seinen vielfältigen Gestalten.
Äußerlich gerät die Protagonistin
in der ersten Phase in den Zustand der Sklaverei, muss
sie sich nach den Regeln der Herrin kleiden – hohe
Absätze, die ein Gehen nahezu unmöglich machen
- und verhalten, doch bald erhält das Ganze eine
unwiderstehliche Eigendynamik und sie lernt die Freiheit
der Sklaverei zu schätzen. Zwar wird es noch immer
als Experiment, vor allem als Spiel begriffen, doch
die Formen realer Gewalt sind unübersehbar. In
einem mysteriösen Prozess von Geben und Nehmen
endet Silvia schließlich als lebender Fußschemel
und Aschenbecher, als Inkarnation der entwürdigendsten
Vorstellungen von Sklaverei, die der moderne Mensch
sich macht. Margaret mag in einem Film leben, in ihrem
Gehirnkino stellt sich die Welt schon immer als direkt
verfügbar dar und schließlich nimmt sie nur,
was sich ihr darbietet, immer mit dem Fernziel und Grundmotiv
des bedingungslosen Müßiggangs, der eben
nur in der klassischen Sklaverei zu verwirklichen sei,
aber Silvias Motive sind weit schwieriger zu erklären.
Sie selbst versucht dies in vielen Anläufen: "In
meinem Tag gibt es nur noch sie. So dass ich mich nicht
mehr daran erinnere, wie ich lebte, als es sie noch
nicht gab; auch wenn unsere Beziehung keine affektive
ist und noch nicht mal eine symbiotische Form. Manchmal
denke ich, dass sie eine Parasitpflanze ist, die mich
umwickelt und ich unternehme nichts mich zu befreien,
mehr noch, ich beuge mich, damit sie mich noch besser
umhüllen kann"(47ff.).
So stoßen zwei verschiedene Strategien
aufeinander, die von der jeweils anderen nichts weiß,
höchstens ahnt und fürchtet, denn natürlich
spielt die Angst in einer derartigen Beziehung eine
erhebliche Rolle. Vordergründig freilich befriedigen
beide ihren ausgeprägten Narzissmus. In Silvias
emotionaler Trigonometrie nimmt der Spiegel einen Eckpunkt
ein: "Drei Punkte, Ich, der Spiegel und eine Person,
die mich im Spiegel betrachtet" (55) und: "Es
war Liebe zu dritt, ich, Margaret und der Spiegel"
(153).
Alles fließt,
nichts bleibt gleich, man kann nicht zweimal in den
selben Fluss der Gefühle steigen; Motive der Angst
und der Furcht, der Verführung, der Gewalt und
Vergewaltigung, der Liebe und des Hasses, der Intrige,
des Verrats und des Vertrauens
wechseln einander
ab und gehen ineinander nahtlos über, die Emotionsamplitude
schlägt wild aus und ständig um; Silvias Ziel,
dass "zwischen uns ein ganz elementares Verhältnis,
das zwischen Besitzer und besessenem Gegenstand"
statt habe, muss viele Metamorphosen durchmachen, die
mitunter dramatische Züge annehmen. Als sie in
einem tragikomischen Akt der Verwirrung und Verzweiflung
die Herrin (versehentlich) mit dem Messer verletzt und
sich selbst dazu, wird sie in ein entferntes Zimmer
gesperrt, aller Stimulans entzogen, allerdings ständig
frei, zu gehen, mit der entscheidenden Einschränkung,
sich zuvor entschuldigen zu müssen, einer Zumutung
selbstredend, nicht anders als im Kinderernst. Genießt
sie anfangs die Depravation – kein Spiegel, keine
Waschgelegenheit, kein Licht, keine Gespräche –
so verwildert sie zusehends und schließlich verlangt
es sie danach, der Herrin, die ihr nun unendlich herrlich
erscheint, zu Füßen liegen zu dürfen
und um Verzeihung zu flehen, nicht etwa, um dann das
Haus verlassen zu dürfen, nein, um den süßen
Schmerz der Erniedrigung vollends auszukosten, den sie
später gar nicht mehr als solche empfindet, sondern
als ein gutes Recht der Stärkeren. Als ihr dies
in einem Steigerungsakt der Grausamkeit gar verweigert
wird, ist die Sklaverei perfekt: "Ich existiere
nicht mehr als Person, also bin ich frei; ich habe weder
Pflichten noch Verantwortung" (255). Schöner
denn je, leuchtend vor glückseliger Verzückung
wird sie erneut in den Dienst aufgenommen. Den entscheidenden
Zug ihres Planes scheint sie ausgeführt zu haben,
als sie den Liebhaber der Diva zu dem ihrigen macht,
"vor dem Spiegel-Gott" (325).
Die Bestrafung nach der Entdeckung ist
subtil. Sie endet nach anfänglichen Geschenken
in späterer körperlicher Züchtigung und
Flagellation und letztlich in der Tierwerdung: Von nun
an tritt Silvia als Haustier, als Hund oder Pferd auf,
in Felle gehüllt liegt sie zu Füßen
der Patronin oder lässt sich von ihr reiten. "Als
Tier steht man unter dem Menschen, aber noch immer ziemlich
nahe
Ich fühle, dass ich in die Ordnung wieder
eingetreten bin, dass ich jetzt meinen Platz in der
Gesellschaft habe und nicht nach Gebühr, wie die
anderen, sondern als Privileg" (362f.). Je niedriger
ein Wesen organisiert ist, je weniger sensibel und intelligent
es ist, umso geringer ist seine Leidensfähigkeit
ausgeprägt, umso näher ist es der Glücksfähigkeit.
Nun endlich lieben sich beide, nun endlich
kommt die wahre Gefahr. "Ich habe mich auf Vorbehalt
verliebt, experimentell; was hätte ich denn sonst
gemacht, wenn ich entdeckt hätte, dass ich einen
anderen mehr lieben könnte als mich selbst?
Man verliert diesen Wind der Freiheit. Das Verlieben
ist einsam; wenn die Liebe kommt, beginnt wieder die
Beziehung, mit all ihren Beschränkungen" (369).
Hier hat man die Quintessenz der "Dialektik
der Gefühle" – "Pferd war ich und
Pferd musste ich bleiben" (370). Mit dieser Erkenntnis
stellt sich die lang erhoffte und doch enttäuschende
Erkenntnis seiner selbst ein: "Das Dreieck war
nur Vorwand, um die Selbstliebe zu idealisieren"
(372). Zeit zu gehen, alles ist erreicht, der Rest dreht
sich nur noch um einen effektvollen Abgang.
Dies ist, in wenigen und ärmlichen
Worten, die Handlung
einer ungewöhnlichen Geschichte, die den Leser
in erster Linie sprachlos lässt. Sie steht einzig
da in der Literatur, wenn auch nicht allein, sie ist,
im Gegensatz zu vielen ihrer Vergleichswerke - der von
Kafka, Musil, Svevo, Camus, Sartre, Golding, Emily Brontë,
de Laclos, vor allem de Sade und Sacher-Masoch –
allerdings unbemerkt geblieben und schnell wieder vergessen
worden.
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Historisches Vorbild? Marquis de Sade (1740 – 1814)
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Wäre der Roman 1967, statt in Italien
in Frankreich erschienen, er hätte vermutlich Furore
gemacht, denn was er thematisiert und in bislang unerhörten
Tönen ausdrückt, wäre im philosophischsten
Land der 60er bis 80er Jahre mit Sicherheit auf fruchtbaren
Boden gefallen, wäre in diesem frühen Stadium
wohl sogar bahnbrechend gewesen. Insbesondere in Frankreich
hätte man auf dieser psycho-analytischen bis sadomasochistischen
Welle empfangen; ein Buch, das sozusagen auf der Couch
geschrieben wurde, wäre nicht unbemerkt geblieben,
erst recht nicht mit seinen impliziten Politismen, die
dem Leser einen Entmenschlichungsprozess präsentieren,
den man im Stalinismus tausendfach hat am lebenden Beispiel
studieren können. Seither haben Literatur, Sozialpsychologie
und Philosophie viele Anstrengungen unternommen, deren
innere Logik, etwa der Schauprozesse, offen zu legen:
Wie kommt es, dass Menschen sich mit ihren Peinigern
identifizieren?
Allerdings bleibt das Buch hier nicht
stehen, sondern wendet die Diskussion in eine geschlechtliche
– nicht primär sexuelle - Beziehung. Es überwindet
den promarxistischen Standpunkt und läuft damit
erneut konform mit der philosophischen Revolution die
sich vor allem in Frankreich abzeichnete. Die zahlreichen
Stufen, welche die beiden antagonistischen Frauenfiguren
durchlaufen, können auch als Phänomenologie
der Sklaverei beschrieben werden und vielleicht leistet
dieses denkwürdige Buch als psychologische Phänomenologie
jene Aufklärungsarbeit, die etwa zeitgleich Michel
Foucault am historischen Beispiel erbrachte (Klinik,
Gefängnis), nur an der zwischenmenschlichen und
zwischen/gleichgeschlechtlichen Front. Dafür spräche
auch die Virtualisierung der Prozesse "im Film
der Sklaverei" (271) oder im Archiv der Grausamkeiten.
Dabei handelt es sich nicht, auch dies Indiz für
den Avantgardismus, nicht um eine Symbolisierung, Allegorie
oder Metapher, es soll also nichts bedeuten oder aussagen
oder lehren und die Metapher ist die rhetorische Grundfigur
des Bedeutens. Was geschieht, geschieht real: "Es
war also wahr:", konstatiert Silvia; "Ich
Sklave und sie Herrin; es handelte sich nicht um eine
erotische Kaprice oder um eine Allegorie, noch nicht
mal um eine Vorstellung" (276). Wenn man es überhaupt
kategorisieren wollte, dann muss es wohl als Experiment,
geboren aus der "Sorge um sich selbst", eingestuft
werden, mit dem Forschungsziel, die primären sozialen
Prozesse hart an der Basis und jenseits des wissenschaftlichen
Vokabulars zu studieren. Möglich wird dies nur,
indem man sich selbst zum Monstrum macht, und erkannt
kann nur werden, was jeder schon längst ahnend
weiß, aber sich nicht einzugestehen wagt oder
aber im Erziehungsprozess soweit deformiert wurde, dass
ein Eingeständnis nur noch unter Selbstpreisgabe
möglich wäre. Die zwischenmenschliche Geschichte
ist eine unendliche, die nur durch externe Gewalt –
dem Abgang aus der Szene – zu stoppen ist, freilich
nur, um sie anderweitig neu zu beginnen. Ansonsten bleibt
am Grunde das Wissen des Fließenden, ganz banal:
Jede Beziehung und jede Stufe einer Beziehung ändert
sich nach und nach und stetig; irgendwann ermüdet
jedes Gefühl, irgendwann erwacht ein neues Begehren;
immer gibt es dieses Ungleichgewicht der Relation; Harmonie
und Sympathie sind Täuschungen, die sich maximal
für den initialen Moment tatsächlich nachweisen
lassen und in wenigen gemeinsamen Glücksmomenten,
die wiederum nur dann auftreten, wenn die Gefühlsamplituden
zufälligerweise sich für einen Moment überschneiden;
ansonsten ist immer eine Partei stark, die andere schwach,
eine sicher, die andere ängstlich; es kommt nur
darauf an, im Moment der eigenen Stärke Veränderungen
im Kampf der Egos durchzuführen.
Es ist, als wollte das Buch die sich
bereits abzeichnende Distanzierung der postmodernen
und poststrukturalistischen französischen Philosophie
vom noch dominanten Existentialismus und der Psychoanalyse
durchdeklinieren: Sämtliche Zentralbegriffe der
Diskurse sind vorhanden und werden thematisiert, vor
allem durch Silvia: Andere, Begehren, Differenz, Entgrenzung,
Falte, Fetisch, Gefängnis, Gesicht, Haut, Irrenanstalt,
Leib, Lust, Macht, Oberfläche, Realität und
Schein, Scham, Spiegel, Sorge um sich, Verführung,
Verlust der Transzendenz usw. sämtlich Begriffe,
die aus der Energiequelle solcher bahnbrechender Autoren
wie Deleuze, Foucault, Baudrillard, Lacan, Lyotard,
Levinas, Derrida stammen und mit denen sie sich, zumindest
zu Beginn, gegen die postmarxistischen und nihilistischen
Einsichten des Existentialismus Sartres und Camus
wandten. Es kann nur verwundern, dass der Roman keinen
Eingang in diese Diskussionen fand.
Doch hält das Buch noch zwei
weitere Überraschungen bereit.
Die erste: Es ist von einem Mann geschrieben! - Renato
Ghiotto, dessen Namen man schwerlich in einer Literaturgeschichte
wird finden können. Verwunderlich ist dies, da
es sich ausschließlich um weibliche Phantasien
und Gedanken handelt und alles Wesentliche nur zwischen
Frauen geschieht, weshalb der Roman fälschlicherweise,
wenn überhaupt, gelegentlich als lesbische Literatur
firmiert oder im Internet auf Lesbenseiten Eingang fand.
Männer spielen nur am Rande eine Rolle und erweisen
sich sämtlich als vollkommen unfähig die diffizilen
weiblichen Motivationen zu verstehen, ihre kopflastige
Rationalität sucht ständig zu ergründen,
und wo der Kopf ausgeschaltet ist, da wird der Mann
von einem anderen, weit weniger rationalen Organ geleitet.
Was innerhalb der eigentlichen Kommunikation geschieht,
versucht uns der Roman klar zu machen, aber ob dies
sprachlich überhaupt zu bewältigen ist, bleibt
offen. Die Protagonistinnen jedenfalls agieren auf weit
weit niedrigerem Niveau, auf einem quasi animalischen
und damit auf einem höheren, zu hoch zumindest,
um vom planen männlichen Verstand auch nur ansatzweise
begriffen zu werden.
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Renato Ghiotto (1923-1986)
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Die zweite Überraschung ist der
Titel des Buches: Schach der Königin. Bei
einem Autor, der die Worte so wägt wie Ghiotto,
sollte das kein Zufall sein. Man könnte die Schachmetapher
– wenn es denn eine ist – für einen Missgriff
erachten oder als Irreführung oder was auch immer,
wenn da nicht ein einziges Mal – und gute Bücher
sagen wichtige Dinge meistens nur ein einziges Mal,
im andeutenden Gestus -, wenn da nicht das Schach Erwähnung
fände. Als Silvia im Angesicht der Spiegel mit
Margarets Liebhaber ins Bett steigt, da geschieht dies
natürlich als kommunikativer zwischenmenschlicher
Akt, nicht zwischen ihr und dem Manne, das nur am Rande,
aber zwischen den beiden konkurrierenden Frauen. Es
ist in ihren Augen der finale Zug (worin sie sich getäuscht
haben soll): "Wie arm an Ökonomie ist doch
die Realität; ich würde einen reinen Zug bevorzugen,
wie im Schach, eine Mitteilung an Margaret: es
wird gebeten, anzunehmen, dass diese beiden zusammen
ins Bett gehen; man betrage sich so, als habe sich der
Fakt schon ereignet. Ein ziviles Verfahren, unvoreingenommen,
jenes der Ritter, die dem Gegner sagten, wenn sie ihn
herausforderten, er solle sich als geohrfeigt betrachten.
Dies hier dagegen ist ein Verrat, es hat den selben
Geruch, nach ungemachten Bettlaken"(331). Vor allem
drückt sich daraus der Wille nach abstrakter Schönheit
und Strenge aus, nach Klarheit und Ökonomie der
Beziehung, wie sie im Schach gegeben seien. Aber die
Realität ist nicht so. Schach der Königin,
so nennt sie als Erzählerin das Gesamtunternehmen.
Schach muss sowohl ihr als auch dem Autor als die Ideallösung
vorgekommen sein, um diese absurde Situation prägnant
zu charakterisieren, was nur ihre Sensibilität
nachweist, denn ein einfacherer Geist hätte nicht
nur die Dame im Spiel nicht als Königin bezeichnet,
sondern auch von Kampf oder Sieg über
oder
ähnlichem gesprochen. Tatsächlich aber betrachtet
sie das infame Unternehmen immer wieder als Spiel, selbst
als Partie, zweier ungleicher und doch gleichwertiger
Gegner. Schließlich wird nicht eindeutig klar,
welche Dame die andere mattsetzt. Dieser von weiblichem
Instinkt geprägte Konflikt ist ein eigentlich intellektueller
und doch wiederum ein ganz natürlicher, einer,
der sich in der Natur des Menschen befindet. Nur das
Ziel ist unterschieden: Während die eine den Sieg
als Besitz feiert, sieht die andere im Prozess das ästhetische
Erlebnis und dürstet vor allem nach Macht, umso
mehr als sie auf die Macht vollkommen zu verzichten
schien. Aber es gibt auch die Macht des Sklaven, die
Macht des Nachgebenden, die Macht der Passivität.
Es gibt gute Gründe dafür, den Herren als
den Sklaven des Sklaven zu begreifen. Dies gewährt
ihr die eigentliche Befriedigung in dieser Lebendpartie,
in der alles auf dem Spiel steht.
(Renato Ghiotto: Scacco alla regina.
Milano 1967. Rizzoli Editore. 381 Seiten)
Das Buch wurde 1969 verfilmt: Scacco
alla regina (Echec à la reine); R: Pasquale Festa
Campanile;Sc: Tulli Pinelli e Brunello Rondi dal romanzo
di Renato Ghiotto; INT: Rosanna Schaffino, Haidée
Politoff, Romolo Valli, Aldo Giuffré, Daniela
Surina, Gabriele Tinti; ITALIA 1969.
--- Jörg Seidel, 12.06.2002 ---
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