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7. November 2001

Independence Day -
Über das Schach und die Rettung der Welt

"Wonnevoll ist's bei wogender See, wenn der Sturm die Gewässer
Aufwühlt, ruhig vom Lande zu sehn, wie ein andrer sich abmüht,
Nicht als ob es uns freute, wenn jemand Leiden erduldet,
Sondern aus Wonnegefühl, dass man selber vom Leiden befreit ist.
Wonnig auch ist's ohn' eigne Gefahr die gewaltigen Schlachten,
Die durch das Blachfeld toben im Kriege, mit Augen zu schauen"
Lukrez (96–55 v.Chr.): Über die Natur der Dinge.

Panik in New York: 1996 oder 2001?

Die unbeschreiblichen Attentate des 11. September ließen manches wieder erinnern, was glücklicherweise vergessen schien. Zu den weniger bedeutenderen Dingen darunter zählt auch Roland Emmerichs peinlicher Film "Independence Day" von 1996, der unverhältnismäßig oft als Vergleich herhalten musste. Das ist insofern verständlich, da die Unbeschreiblichkeit der Ereignisse nach Ausdruck verlangt und angesichts der neuen qualitativen Dimension man sich zwangsläufig dessen erinnert, was schon mal irgendwie gesagt wurde, auch wenn man sich dabei vollkommen in der Kategorie vergreift. Dabei ist der Vergleich so dünn wie der künstlerische Gehalt des recht bunten Streifens; er beschränkt sich im wesentlichen auf die Bilder der zeitgleichen Zerstörung New Yorks und Washingtons, symbolträchtig festgehalten in den immensen Explosionen der Wolkenkratzer, die tatsächlich den Kollaps der Twin Towers bildnerisch beeindruckend antizipierten, und der Pulverisierung des Weißen Hauses.

Erst heute allerdings wird vollends klar, wie schlecht der Streifen ist, allein wenn man das Realitätskriterium anlegt. Der Karlsruher Medienphilosoph Boris Groys glaubte während dieses "Momentes der Evidenz" sogar an die Signifikanz des Zitats: "wie sehr die Terrorakte Filme wie ‚Independence Day‘ oder ‚Armageddon‘ zitierten" [1]. Sollte Osama Bin Laden also jemals geschnappt und seine Schuld in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden, so wird er sich vielleicht auch des Plagiatsvorwurfes zu erwehren haben und, neben Anklagen für diverse Kapitalverbrechen, einem Urheberrechtsverfahren entgegensehen. Für jemanden, der auf technische Mittel weitestgehend verzichten soll, wie man hört, und der mit einem System kooperiert, das Fernsehen und Radio sogar verbietet, wäre das ein interessanter Fall von Horizontüberschreitung.

Nun, alle wissen es mittlerweile, die Talibanregierung verbot auch das Schachspielen. Gerade diesbezüglich scheint "Independence Day" prophetische Gaben zu besitzen, denn das Schach spielt hier eine wesentliche Rolle. Spitzt man den sich anbahnenden Konflikt zu, so kann man sagen, dass nicht gewinnen wird, wer den rechten Glauben vertritt, für oder gegen die Demokratie eintritt oder wer über die besseren militärischen Mittel verfügt, nein, auch eine andere fundamentale Frage wird sich im "Kampf der Kulturen" entscheiden: ob die schachspielende oder schachnegierende Kultur siegreich sein wird, wobei das Schach kein Akzidenz, sondern die Essenz ist. Anders gesagt: wir befinden uns in einer gesteigerten und stark abstrahierten Form des uralten Konfliktes, ob ein Krieg sich nicht durch ein Schachspiel entscheiden lasse, womit sich große Denker ernsthaft beschäftigt haben, oder ob eine Gesellschaft, die das Schachspiel verbietet, nicht schon deshalb zum Scheitern verurteilt ist, und zwar, weil sie sich dadurch, so der Verdacht, durch eben dieses Verbot, entscheidender Ressourcen beraubt oder aber sich im Gegenteil durch die Konzentration auf das Wesentliche (Gott) und das Verbot der Ablenkung davon, neue Ressourcen schafft. Dies zumindest ist der Konflikt, den man aus der Gegenüberstellung der Botschaft des einst vielbejubelten Filmes "ID 4" und den Realereignissen am Hindukusch filtrieren kann.

Der Denker ... seitenverkehrt

Gleich zu Beginn des Streifens, als die Welt noch in Ordnung schien und nur die Spitze der Militärs und Politiker das Undenkbare zu ahnen beginnen, dass Vertreter einer außerterrestrischen Zivilisation sich dem Planeten nähern und leider ganz und gar nicht den Text der Astronautentafel auf dem Mond, der von "Peace for all" spricht, zu verstehen gewillt sind, gleich zu Beginn sitzen David Levington und sein Vater Julius friedlich in einem New Yorker Park – vielleicht sogar zu Füßen des World Trade Centers [2] – und spielen Schach.

Schon mag das Interesse des Schachenthusiasten geweckt sein, auch wenn die ausgetragene Partie zum Filmgeschehen wenig Substantielles beizutragen weiß, die Szene hingegen schon. Sie dient als Mittel, die beiden Protagonisten der Handlung in schnellen Zügen vorzustellen. Ruhig, gelassen und konzentriert sitzt der Junior da, gänzlich vom Vater unterschieden, der nervös eine Zigarre raucht, dabei ununterbrochen redet und den Sohn zum zügigen Ziehen überreden will. Man sieht, wie David den Bauern auf e3 fasst, um ihn nach kurzem Zögern wieder an seinen Platz zu stellen. Worüber er nachdenkt, ist eine Falle, ist ein Zug, der objektiv weniger stark ist, gegen einen schwächeren Gegner allerdings einen raschen Sieg versprechen könnte. Der Vater drängt, witzelt, der Sohn antwortet nur mit dem richtungsweisenden Satz: "I'm thinking", "Ich denke" und ist damit ausreichend charakterisiert, sein Sein ist so eins in der Szene, dass er als falschverstandenes Zitat von Descartes "cogito ergo sum" zu gelten hat. Tatsächlich wird er die Rolle des Denkers übernehmen, dessen geniale Einfälle letztlich die Welt retten werden. Doch wie weit ist es her mit seinen denkerischen Fähigkeiten? Schach sollte nie Indikator für diese Bewertung sein, da es nur einen sehr limitierten Denkbegriff enthält, aber da es gemeinhin noch immer als allgemeines Denkspiel missverstanden wird, kann es auch im Film entsprechend instrumentalisiert werden. David zieht schließlich doch den Bauern nach e4, ein kleiner, unauffälliger Zug, so wollen uns die Bilder sagen, der große Wirkung zeitigt. Zwar weiß der Vater unversehens zu reagieren, aber, wie sich herausstellen wird, ungenügend: ....e5 kann sein Problem nicht lösen. Wieder denkt David. Und nicht nur über das Schach, nein, er findet zudem Zeit, seinen Erzeuger auf die lange Dekompositionszeit des Plastikbechers hinzuweisen, aus welchem der Alte sich einen Kaffee gönnt. David ist ökologisch bewusst; später wird er auch seine Arbeitskollegen darauf hinweisen, dass Coca-Cola-Dosen in den Recyceleimer gehören!! Merkt Euch das ein für alle mal, denn die Welt muss nicht nur gegen Aliens verteidigt werden, nein, auch gegen böse Menschen, die noch immer ihre Dosen unbedacht im Hausmüll entsorgen. Schließlich findet David den Schlüsselzug – Dame nach g5 -, den sein Gegner nur mit einem "Aha" kommentiert. Sofort fährt der Erfahrenere ihm in die Parade, triumphierend schaut er dem Sohn ins Gesicht, in seinen Brillengläsern spiegelt sich das Schachbrett. Wieder wird dialogisiert, man erfährt über Davids geschiedene Ehe und über die gesundheitsschädliche Wirkung des Rauchens – ein Großteil der Situationskomik wird sich aus dieser Belehrung ergeben – und wieder die Unruhe des Vaters: "Come on, move on. This is not healthy." und er meint sowohl das Spiel als auch Davids Leben, das sich bewegen soll. Dann Großeinblendung Schachbrett: Dame schlägt Bauer g6 und die magischen Worte – sie werden zum Leitfaden des Films: "Checkmate" – "Wait a minute, wait a minute, wait a minute... this is not checkmate, this is not checkmate..." Verdammt, doch! David steigt auf sein Rad – was sonst? – den Vater ärgert die Niederlage, Ende der Szene. Schauen wir uns die Partie im entscheidenden Stadium noch einmal in Ruhe an.

Die Ausgangsstellung. David (Weiß) hat schon eine ganze Figur eingebüßt, wenn Schwarz solide weiterspielt sollte nichts mehr schief gehen können. Andererseits bietet die seltsam offene h-Linie vielleicht noch Schummelchancen.

1.e4 Die Idee ist klar: Weiß will die Dame in den Angriff am Königsflügel einschalten, aber die Idee ist ebenso falsch, denn zuvor hätte der Zug mit Th4 vorbereitet werden müssen. Spielbar wäre auch noch Tg3 mit Druck auf g6 gewesen. (Auf den ersten flüchtigen Blick sieht 1.Dxd6? verlockend aus, doch der Abzug 1...Lxg2+!! 2.Kxg2 Dxd6 entscheidet die Partie. Gut gesehen, David! Man darf nicht auf die faulen Tricks der anderen hereinfallen.)

1...e5? Ein ernsthafter Fehler. (Mit 1...Sg4 – deckt h6 und zielt auf den neuralgischen Punkt f2 - hätte Schwarz seinen Vorteil sicher behauptet. 2.Sd1 scheint nun fast schon erzwungen, gibt allerdings den Bauern preis: 2...Lxe4 3.Th4 Lf5 und Schwarz steht fest wie ein Fels.)

2.Dg5?? Der Gewinnzug! Das wäre nur in der wirklichen Welt ein Widerspruch, in Hollywood hingegen ist alles möglich: Präsidenten fliegen Düsenjets gegen Aliens, Menschen lieben sich im Angesicht von Millionen Toten, Computerviren werden durch Körperkontakt übertragen und Verlustzüge führen zum Gewinn. Was soll daran so seltsam sein? (2. Dh6!+ hätte dagegen nur sehr langfristig gewonnen, was im Skript wohl nicht vorgesehen war. 2...Kf7 [2....Kg8? man muss mit allem rechnen vgl. gespielte Partie 3. Dxg6#] 3.Tf1 fesselt den Springer, der wiederum h6 überdeckt; mit dem Ziel Thh3 und massivem Druck auf f6.)

2...Kg8!! Ein Hollywood Zug unter Zeitdruck, denn Zeit ist Geld im big business.

Die Stellung in der entscheidenden Phase: Soeben hat Vater Levington den unglaublichen Zug Kg8!! gefunden.

3.Dxg6!!# Eiskalt! (3. Dh6!? hätte die Partie noch offen gehalten - just for fun! 3...Kf7 4.Tf3 mit Vorteil Weiß)

Fazit: Emmerichs Versuch, uns Intelligenz als schachkompatible Größe zu verkaufen, muss bei genauer Analyse als gescheitert gelten. Davids spielerische Fähigkeiten lassen im Kampf gegen die Außerirdischen an sich nichts Gutes ahnen. Eine fachmännische Beratung hätte dem Film wenigstens zu einer glaubhaften Szene verholfen.

Die offenbare Unkenntnis der Materie hinderte jedoch nicht daran, das Schachspiel auf allerhöchster Ebene weiter zu benutzen. Die zweite signifikante Szene spielt sich eine halbe Stunde später im Büro des Medienunternehmens ab, in welchem David arbeitet. Die Belegschaft ist geflohen, schon schwebt das kilometergroße feindliche Objekt bedrohlich über den Häuptern. Da plötzlich kommt dem jungen Schachmeister die Idee: die Aliens nutzen unsere eigenen Satelliten, mehr noch, ihr Vorhaben lässt sich damit berechnen. Geht die Rechnung auf, dann erwartet die Menschheit in nicht allzu langer Zeit die Katastrophe. "It‘s like in chess", erklärt er seinem schwulen hysterischen Freund. "Zuerst bringst du deine Figuren in strategische Positionen. Dann, wenn die Zeit heran ist, schlägst du zu." Die Fernsehbilder scheinen seine Theorie zu bestätigen: Über allen wichtigen Hauptstädten der Welt haben die galaktischen Bösewichter Stellung bezogen, sie nehmen strategische Positionen ein. In nur noch sechs Stunden, so die Rechnung - genügend Zeit, um noch nach Washington zu rasen, den Präsident und die Ehefrau zu retten -, werden sie losschlagen: "And then what?" – langer, sorgenvoller, intensiver Blick, und wieder das Zauberwort, von dem Borges einmal sagte, es dürfe im Rahmen des Spiels nicht gesagt werden [3], denn es beendet alles: "Checkmate!!" – "Oh my god, oh my god, oh my god!", begreift der Freund in einer herzzerreißenden Szene. Noch nie dürfte das "Schachmatt" eine solche emotionale Eskalation hervorgerufen haben.

Doch schon hier ahnt der Zuschauer, dass es eine Lösung geben wird, vertrauensvoll schaut er in die bebrillten und klugen Augen Davids, des Denkers. In diesem genialen und verantwortungsbewussten Kopf muss sich die Lösung finden lassen und paart man dies noch mit einem heldenhaften Präsidenten, der seine Soldatennatur höchst selbst im Kampfjet ausleben wird - ein kleiner Seitenhieb auf den ungedienten Clinton -, addiert man dazu noch den Mut des supercoolen amerikanischen Marines, geschauspielert von Will Smith, und vergisst man schließlich nicht die militärisch-ökonomisch-wissenschaftliche Macht Old Sams hinzuzurechnen, dann wird auch dem fassungslosesten Kinobesucher klar: du kommst hier lebend raus, alles wird gut, die Freiheit siegt. Die Botschaft ist so alt wie der amerikanische Film, neu hingegen ist die Schlüsselrolle des Schachs dabei. Es dient hier als große Matrix, als grundlegendes Regelwerk, dessen selbst die hyperintelligenten Schleimbestien aus dem All mächtig sind, wenn auch offensichtlich auf inferiorer Stufe, es erlangt letztlich kosmologische Dimension. Einstein mag Recht haben: Gott würfelt nicht, aber mit Sicherheit spielt er Schach! Wie einst Bobby Fischer, so nimmt auch David im selbstauferlegten Auftrag der Menschheit den Schachkampf mit Gott auf, vorausgesetzt, er spielt mit Weiß und das ist die weiße Weste, das saubere Gewissen, die gute Tat. Der Anzugsvorteil ergibt sich aus der indiskutablen Übermoral, die nur böse Zungen als Anthropozentrik diskreditieren. So wird dem Schicksal noch ein Schnippchen geschlagen und das scheinbar unausweichliche "Checkmate", das im Bauch des Leviathan zum dritten Male als negatives Fanal und Zauberwort ausgesprochen wird, wandelt sich zur Siegesformel. - "What do you think?", tiefes Nachdenken, Schweigen, dann: "Checkmate." Ruhe. Zigarren werden gezückt. Trompetenklang: Die Helden machen die und liegen in den letzten Züge(n) - David und der besagte Fighter Capt. Steven Hiller, der nach anfänglichen Startschwierigkeiten selbst ein Aliengefährt zu fliegen weiß, befinden sich da schon im grusligen Inneren des Bösen, in jenem bienenstockähnlichen, ameisenhaufenartigen, termitenhügelhaften monströsen Gebilde, in dessen Zentrum die hässliche, riesenhafte, stöhnende Mutter- und Königinnengestalt thront. Deren Schaltzentrale bildet die Welt fast schachbrettartig ab, das kleine vom Gegner besetzte Raumschiff, stellt nur eine unter vielen winzigen Figuren dar, einem Bauern im Schach vergleichbar, den man unauffällig von e3 nach e4 zieht, die tödliche Falle zu stellen. Der Glaubwürdigkeit des Films hätte es unbedingt gut getan, wenn dies wenigstens mit einem Menschenopfer verbunden gewesen wäre, aber nein, es gelingt den vergifteten Bauern, die den Virus brachten, selbst noch die Flucht, kurz bevor alles kollabiert. Das Selbstmatt des Vaters wiederholt sich auf höherer, viel höherer, auf apokalyptischer Stufe im Selbstmatt der außerterrestrischen Mutter. Alles ist nur ein Spiel, wollen uns diese Bilder sagen, man muss nur die Regeln kennen, auch ein bisschen tapfer sein, die Freiheit lieben und all das Gelaber... und du gewinnst. Ach so, man sollte am besten auch noch Amerikaner sein. So werden aussichtslose Lagen "gehandled".

Man darf den Fakt, dass ein Schachspieler die Welt rettet, nicht unterbewerten, noch dazu, wenn man selber einer ist und vor allem nicht vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse. Dass "wir die Welt zum Sieg führen werden", sind Worte beider US Präsidenten: Thomas J. Whitmore und George W. Bush. Die Einteilung in Schwarz und Weiß ist so alt wie das Genre, es lebt regelrecht von derartigen Primitivismen. Aber es ist andererseits das Schachspiel selbst, mit seiner ständischen Symbolik, das sich immer wieder für diese Urvergleiche hergeben muss. Hat sich je ein Schachspieler über diese maßlose Kompetenzüberschreitung beschwert? Im Gegenteil: genüsslich sammeln die Gazetten Entgrenzungsbeispiele in der irrigen Hoffnung, das Spiel damit aufzuwerten. Wer die Regeln im großen Schach des Überlebenskampfes nicht kennt oder gar gegen sie verstößt, die Regeln, die wir selbst dem Spiel verleihen, gehört ausradiert. Schlicht und einfach. Ist dies einmal anerkannt oder gedankenlos akzeptiert, dann kann man sich Reflexionen über die Relation von Subjekt und Objekt ersparen, anders gesagt: das Recht ist immer auf der Seite des siegreichen Subjekts.

Nur, so einfach wie im Film können wir es uns nicht machen, hier muss eine Moraldiskussion wenigstens angedeutet werden, gesetzt, dass sich im modernen Katastrophenfilm eine gesellschaftspsychische und -psychiatrische Verfassung entäußert. Andernfalls könnten sie weder produziert noch goutiert werden. Mit welchem tatsächlichen Recht spielen wir die Vernichtung, die "extermination" – so der mehrfach benutzte Terminus - fremder Lebensformen durch? Steckt dahinter das juristische Argument der Selbstverteidigung oder das vulgärdarwinistische von der "Krone der Schöpfung"? "Wenn man Unkraut vertilgt oder Ungeziefer ausrottet", schrieb der Radikalökologe Rudolf Bahro, "sagt man exterminate... Es meint die massenhafte Vernichtung von Leben, das wir für unwert befunden haben." [4] Zumindest die Wortwahl also ist im Film nicht zufällig, aber sie zeigt auch, wie weit entfernt sie von der Intention jedes ernstzunehmenden Schachspielers ist. Man muss die feindlichen Fremdlinge als Ungeziefer, als Insekten darstellen, um einer Moraldiskussion aus dem Wege zu gehen, es sind gigantische, hyperintelligente Insekten, aber eben noch immer Insekten, Gribbel- und Glibberzeug, und damit der menschlichen Rasse unterlegen, auch wenn sie ihr intellektuell tatsächlich Lichtjahre voraus sind. Spätestens seitdem wir virtuell derartige Szenarien durchspielen, dies wird im Ansatz klar, sind klassisch belegte Begriffe wie "Humanismus" und "Menschenrecht" diskussionswürdig. 

--- Jörg Seidel, 07.11.2001 ---



[1] vgl. Die tageszeitung (TAZ), 17.10.2001
[2] vgl. Rochade Europa 10/2001, S. 95
[3] Jorge Luis Borges: Fiktionen. Frankfurt/Main. 1994. Seite 87
[4] Rudolf Bahro: Logik der Rettung. Wer kann die Apokalypse aufhalten? Ein Versuch über die Grundlagen ökologischer Politik. Berlin 1990. Seite 27


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