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SACHSENLIGA – Saison 2003/2004
 

Rückenmark und Geistesmenschen
The other side of Plauen's chess

Ein Fußballer, ob mit dem Fuß oder nur mit dem Herzen, würde naturgemäß das Bruno-Plache-Stadion keinesfalls verfehlen, schon gar nicht an jenem Sonntag des 12. Oktober, als die Frauenmannschaft des VfB Leipzig in der Regionalliga den Bundesligaabsteiger Tennis Borrusia Berlin empfing.

Die Auswärtspartie beim Tabellenführer sollte von Beginn an eine ganz spannende Sache werden. Spannend, weil es spielerisch ganz knapp wurde, spannend, da die Anreise alles andere als spielerisch war und schließlich spannend, nachdem der VfB Leipzig zum Saisonauftakt beim VSC Plauen mit ½:7½ gewütet hatte, spielerisch - die Mission der Könige also darin bestand, den Messestädtern einen facettenreicheren Blick vom Plauener Schach zu gewähren.

Der Absteiger aus der Schach-Oberliga, noch auf der Suche zwischen neuer Standortbestimmung und Zielfindung in der Sachsenliga, kam bereits während der Fahrt zum Spiellokal in Zeitnot, verursacht durch ganz erstaunliche Irrfahrten, obwohl das Führungsfahrzeug in zweiter Reihe nicht müde wurde, die Richtung vorzugeben, sich an Bord mit Stadtplan sicher wähnte, diesen zu befragen, sich allerdings nicht traute, weil es dafür einer Sehhilfe bedurft hätte, an die man nun wirklich nicht gedacht hatte. (Um auf einer einsamen Insel zu überleben, sollte man sich vor DWZ über 2000 schützen.) Nach einer halben Stunde Verspätung wurde die Partie abseits des grünen Rasens angepfiffen, die Gastgeber gewährten ein faires akademisches Viertel.

Das Match begann hoffnungsvoll mit einer zeitigen Führung der Plauener. Roland Pfretzschner hatte sich am Spitzenbrett eine strategisch vorteilhafte Position erspielt, in der sich sein Gegner zunehmend ideen- und willenlos ergab. Aber die Leipziger schlugen ebenso schnell wie kraftvoll zurück. Marco Schaarschmidt unterschätzte ein strategisches Opfer, hatte zwar zwei Leichtfiguren gegen Turm und Bauern bekommen, konnte aber sein empfindlich gestörtes Figurenspiel nicht mehr koordinieren. Thomas Espig, der bei seinem Debüt gegen die USG Chemnitz II schon spritziges Schach demonstriert hatte, zeigte auch mit den schwarzen Steinen offensive, spielfreudige Züge. Dieses Mal wählte er eine sizilianische Variante, die Wladimir Epischin mitunter bevorzugen soll. Es brannte frühzeitig auf beiden Flügeln, doch die überaktive Entwicklung erwies sich später als zu nachlässig, eben doch ein bisschen anders als bei Epischin. Nachdem Mathias Paul in guter Stellung überraschend vor dem Kontrollzug die Zeit überschritt, lagen die Könige plötzlich bedrohlich 3:1 zurück.

 
Immer stärker:
Lion Pfeufer

Erst Andreas Götz vermochte die Schwächephase der Plauener zu beenden. Unmittelbar nach dem Friedensangebot seines Gegners setzte er zu einem gnadenlosen Abzugsschach auf h7 an, gewann zunächst die Dame für Turm und Läufer, bevor er wenig später noch eine Leichtfigur vom Brett nahm. "Ganz billig", wie Andreas Götz nach der Partie resümierte. Größere Anstrengungen musste da schon Lion Pfeufer unternehmen, um zum vollen Punkt zu gelangen. Nachdem er im Mittelspiel gegen Robert Beltz eine Qualität erbeutet hatte, bedurfte es im Endspiel noch präziser Gewinnführung. Ausgleich zum 3:3. Dennoch hatte das Plauener Team nur geringe Remischancen: Christof Beyer hatte an Brett 8 schon die ganze Partie über eine Druckstellung auszuhalten, musste materielle Verluste hinnehmen, das Doppel-Turm-Endspiel plus Läufer mit einem Nachteil von drei Bauern neigte sich spürbar der Kapitulation, während Matthias Hörr sich aufrieb, seine Mehrqualität siegreich zu verwerten, aber scheinbar keine erkennbare Gewinnfortsetzung im Figurendschungel fand. So liebäugelten die Gastgeber nicht unberechtigt immer mehr mit einem 4½:3½-Erfolg.

Inzwischen hatte auch das Spiel auf dem grünen Rasen begonnen. Lautstark, die vorwiegend männlichen Besucher, allerfeinster Fanblock, das Rückenmark regierte. Draußen wurde brüllend getobt, als würde man in der Arena nach den Löwen verlangen. Daumen nach unten für Leipzigs Fußballfrauen an diesem Sonntagnachmittag, zwischendurch dann doch so etwas wie barmherziger Applaus, wahrscheinlich für den Ehrentreffer. Ein paar der Besucher (die Grundgesetzbefürworter unter ihnen waren nicht in der Mehrheit) verirrten sich, wenn auch nur kurz, denn der Biertresen im Spiellokal hatte (vorsorglich) nicht geöffnet, zum spannenden Geschehen der Schachabteilung des VfB Leipzig ...

Christof Beyer war inzwischen mit seinen beiden Türmen auf der dritten Reihe eingedrungen, öffnete mit dem h-Bauern die weiße Königsstellung, so dass der Drei-Bauern-Malus plötzlich keine Rolle mehr spielte - Dauerschach in den rettenden Remishafen. Ein matchentscheidendes Geschenk von Thomas Schreiter an seinen früheren Verein. Die letzte laufende Partie an Brett vier wurde stumm-aufgeregt umlagert, bis Matthias Hörr abgeklärt zum finalen Gewinnschlag ausholte.

 

VfB Leipzig
SK König Plauen II
:
Müller, Frank
2200
FM Pfretzschner, R.
2163
0
:
1
Geiling, Christian
2143
Espig, Thomas
2248
1
:
0
Kalkhof, Stefan
2156
Paul, Mathias
2140
1
:
0
Claus, Thomas
2060
Hörr, Matthias
1940
0
:
1
Beltz, Robert
2167
Pfeufer, Lion
1936
0
:
1
Dr. Scholz, Markus
2085
Schaarschmidt, Marco
2066
1
:
0
Mader, Jörg
2031
Götz, Andreas
2054
0
:
1
Schreiter, Thomas
2027
Beyer, Christof
1959
½
:
½

 

Ein starker Tag für die beiden Plauener Nachwuchsspieler Hörr und Pfeufer, ein glücklicher 4½:3½-Sieg am Ende für den SK König Plauen II, der keinen Grund hatte, an diesem Wochenende nach den Löwen zu verlangen.

 

Christof Beyer
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letzte Änderung: 05.12.2022