RUBRIKEN
Home
Verein
Berichte
Bundesliga
Teams II - V
Nachwuchs
Tabellen
Links
BEYOND CHESS
Metachess
weitere Artikel
SPONSORING

1. SACHSEN-JUGENDLIGA U20 – Saison 2004/2005
 

Matthias Hörr stellt die Sinnfrage
Titelchancen nach erneuter Niederlage gegen Dresden nur noch minimal

Dresden gegen Plauen – zumindest in der Jugend waren hier immer brisante Kämpfe auf der Tagesordnung. Während in der Alterklasse U16 regelmäßig Siege für die Plauner zu verbuchen waren, konnten man bei den Ältesten bisher noch nie gegen die erste Mannschaft aus der Landeshauptstadt punkten. Nicht bloß aufgrund dieser ernüchternden Statistik, die geradezu nach Ausbesserung schreit, waren die Töne am Tag vor dem entscheidenden Spiel auf Sieg gestimmt. So konnte man vernehmen, dass man mit unser angeblich stärksten Mannschaft aller Zeiten fast schon gewinnen muss. Eines wahr klar: wenn man die Einzelspieler mit ihrer entsprechenden Wertzahl betrachtet, wird es offensichtlich, dass man noch nie so gute Chancen im stets Ausschlag gebenden Spiel hatte.

Die Anreise und Mannschaftsfindung verlief, nach den beschämenden Streitereien im Rahmen des Männerspiels eine Woche zuvor, unerwartet reibungslos, wenn man von den Gerüchten über das vogtländischen Wild absieht. Die Dresdener mussten auf zwei Stammspieler, inklusive FIDE-Meister Volker Seifert, verzichten, so dass die Aussichten für unseren Sechser noch vor Beginn stiegen. Dieser Trend hielt auch noch in der ersten Spielphase an: Am Spitzenbrett konnte Matthias Hörr seinen Gegner Felix Graf (Deutsche Vizemeister U12, Mitglied des Infineon Junior Teams) kurz nach der Eröffnung in die Defensive drängen. Ganz hinten schien auch Tobias positionelles Kapital aus den Anfangszügen des Dresdner Mannschaftsleiter schlagen. Die restlichen Paarungen verliefen auch annehmbar, nirgends war auf eine Niederlage zu schließen. Ausnehmen müsste man hierbei allerdings Thomas Zeleny. Trotz körperlicher Angeschlagenheit ist dieser aus dem tschechischen Liberec angereist, um die Plauener in diesem wichtigen Spiel zu unterstützen. Gegen Elena Winkelmann kam er jedoch nicht aufs Brett. Der halboffenen Linie neben seinem König und erheblichen Schwächen auf den schwarzen Feldern hatte er überhaupt nichts entgegenzusetzten – höchstens seinen Zeitnachteil. Normalerweise wäre hier nach einigen weiteren Zügen Schluss gewesen. Jedoch erschien es der Bronzemedaillengewinnerin der DEM U16w, die ebenfalls im Infineon Junior Team ist, logischer die Wertzahlpunkte mit einem Remis einzusammeln, als auf den naheliegenden Sieg zu spielen.

Das Unentschieden wurde gern angenommen, zumal Matthias schon gepunktet hatte. Kurz vor der sehenswerten Schlusskombination hatte sich noch einmal der Schlendrian eingeschlichen. Bei entsprechender Reaktion hätte die Stellung nur noch leichte Vorteile geboten. Nachdem Tomas zum Bahnhof gebracht wurde, konnte auch Lion mit einem Sieg abschließen. Nach einem Qualitätsgewinn verlief sein Angriff auf den schwarzen König ohne Kompromisse. Nun stand es nach knapp drei Stunden schon 2.5:0.5, und noch war völlig unklar wie an den hinteren Brettern drei Nullen eingefahren werden sollten.

Tobias hatte bis zum Schluss Springer und Turm in der Ausgangsstellung stehen gelassen. Nachdem alle anderen Figuren getauscht waren erschien dann ein Pferd auf c7 und die Partie war verloren. Daniel Butzke konnte nach der ordentlichen Eröffnung keinen richtigen Plan entwickeln, und verstrickte sich in der Brettmitte in gefährliche Scharmützel. Irgendwann waren seine Figuren im Feindesland ausmanövriert und die Plauener Aussichten verringerten sich auf ein 3:3. Sergej Lozovoy hatte sich anfangs auch schön am Damenflügel in Szene gesetzt, kam in der Folge aber nicht weiter. Im entstanden Endspiel erwies sich Jakob Loxine als eingespielter, und konnte trotz miserabler Zeit einen Bauern und die Partie gewinnen.

 

Dresdner SC
SK König Plauen
:
Graf, Felix
2023
Hörr, Matthias
2009
0
:
1
Winkelmann, Elena
1948
Zeleny, Tomas
2200
½
:
½
Rudolf, Sebastian
1919
Pfeufer, Lion
2023
0
:
1
Loxine, Jakob
2198
Lozovoy, Sergej
1933
1
:
0
Siedentopf, Daniel
2093
Butzke, Daniel
1830
1
:
0
Slawtschew, Slavt.
1684
Franz, Tobias
1624
1
:
0

 

 

So viel zum Spielverlauf. Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, um meine Meinung über einige mannschaftsrelevante Entscheidungen loszuwerden.

Mit dem Abschluss der letzten Saison verließen uns mit Stephan Buschmann und Etienne Engelhardt alterbedingt zwei Spieler, die wirklich von Anfang an diese Mannschaft begleiteten. Wie jedes Jahr stellte sich die Frage, wie die frei gewordenen Bretter besetzt werden sollen. Mit Sergej Lozovoy, der noch in letzter Minute zum SK König wechselte, hatte man eines stark besetzt, und die für viele etwas überraschende Wendung im Fall Johannes Titz hätte das Problem zumindest für dieses Jahr gelöst. Doch den Mannschaftsvätern (dieses Jahr sieht es nach einem Tandem aus) schwebte eine andere Vision vor. Es ist unbestreitbar, dass dieser Jahrgang Plauen im landesweiten Vergleich überdurchschnittlich repräsentierte. In anderen Altersklassen ist es nicht gerade üblich, dass die Landeshauptstädter ihre schärfsten Konkurrenten im Vogtland suchen müssen. So spielte man drei Jahre auf Augenhöhe mit den Dresdnern, verlor dabei zwar jedes Duell, konnte aufgrund ihres Aderlasses gegen andere Teams jedoch trotzdem auf Platz 1 hoffen. In der Saison 02/03 war dies tatsächlich gelungen, und man fuhr zur DVM um dort Platz 5 zu belegen.

Auf einmal wurden Stimmen laut, dass gerade diesem Jahrgang noch einmal die Chance gegeben werden müsste, solches zu wiederholen. Hier setzt der Gedanke an, der meinen Ansichten so extrem entgegen läuft. Wie edel die Motive auch seien mögen, die Umsetzung entbehrt jeglicher Logik.

Angeblich galt es als offensichtlich, dass die "neue" Mannschaft nur mit Sergej keine Aussicht auf Erfolg hätte, und Verstärkung benötigt wird. Genau hier setzt mein Verständnis aus. Entweder wir sind die beste Mannschaft und qualifizieren uns für den überregionalen Wettkampf oder nicht. Alles andere ist ohne Bedeutung; die eventuell fragwürdige Verteilung der Startplätze zwischen Bayern und Sachsen, aber auch die Aufstellung der Dresdner bei einer deutschen Meisterschaft. Beides kann nicht als Argument herhalten, um zu fragwürdigen Mitteln zugreifen. Der Sachsenmeister qualifiziert sich für die DVM und kann dort machen was er will. Jede Mannschaft tritt mit diesem Wissen an, und muss die Gegebenheiten akzeptieren, niemand hat es eher verdient gegen große Namen wie Porz oder Hamburg zu spielen, nur weil er aus seiner Sicht die Sache ernsthafter angeht.

Es sollte so sein, dass dieses Recht der stärksten Mannschaft gebührt, und für die Jahre, in denen ich diese Jugendliga begleitet habe, war das immer Dresden. Im Vergleich der Einzelspieler hatten wir, wie anfangs erwähnt, nie eine Chance. Unsere einzige Hoffnung war, auf die Mannschaft zu setzen. Und damit konnte Plauen sehr gut punkten. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in einer Saison mehr als zwei Ersatzspieler benötigten, und nie wurde ein Brett kampflos verloren. Ein einziges Mal gab es deswegen etwas Trouble, aber auch hier sprang noch kurzfristig Daniel Butzke ein. Mit dieser mannschaftlichen Geschlossenheit landeten wir in der Abschlusstabelle stets vor allen (!) Leipziger Vereinen. Gohlis I, die vor unserem Aufstieg dieses Liga unangefochten dominiert hatten, wurden im Jahr unseres Staffelsiegs mit 5:1 besiegt. Damals entschieden die Brettpunkte für uns, dennoch hatte kein einzelner den Ruhm davongetragen, stets war es die Mannschaft, die glänzte. Die Betonung auf den Zusammenhalt kann nicht stark genug hervorgehoben werden. Soweit ich das einschätzen kann waren wir dabei allen anderen weit voraus, und im Gegenteil zu manchen Aktionen im Profisport hatten wir mit dieser Stabilität durchschlagenden Erfolg.

Diese Spielzeit wurde (sicherlich unbewusst) etwas anders angegangen. Mit Tomas Zeleny wurde ein Spieler aus dem Nachbarland geradezu verpflichtet, der mit unserem Verein, geschweige denn der Mannschaft, nichts am Hut hatte. Das Sergej für uns spielt, geht voll in Ordnung. Er spielt jedes Männerpunktspiel mit, wohnt in der Nähe Plauens, erscheint ab und an beim Training, und vor allem: Er war den Spielern bekannt, und anders herum. Die Mannschaft hatte auch bei Romal Waesi bewiesen, dass sie schnell Spieler integrieren kann. Bei Tomas trifft das nicht zu. Man sieht ihn nur zu den Spielen und verständlichweise macht er nach dem Beendigen seiner Partie schnell zum Zug.

Trotz heftigster Proteste meinerseits kam es trotzdem zu diesem Schritt. Meine Argumente fielen auf taube Ohren. Gut, es war damals noch nicht abzusehen, dass Johannes sich unserem Verein anschließen wird, und auch der Mitgliedsantrag von Sergej war nicht in trockenen Tüchern, aber man hatte ja noch die Reh-Zwillinge. Hierbei wurde mir vorgehalten, dass sie so schon sehr viel spielen, und man sie nicht in der U20 verheizen will. Eigentlich will ich nicht auch schon so anfangen, aber es nun einmal Fakt, dass ich auch mehrere Jahre in zwei Jugend- und einer Männermannschaft gespielt habe. In Kombination mit Einzelwettkämpfen (oftmals auch in mehreren Alterklassen) war da von September bis Weihnachten kein Wochenende frei. Dieses Argument spielt noch in Problematik Leistungssport mit rein, auf welche ich hier nicht näher eingehen möchte.

In ihrem Bereich werden die Reh-Schwestern jedoch weit mehr Erfolge verbuchen, als mir das vergönnt war. Über all das könnte man endlos leidenschaftlich streiten, wobei mit pessimistischer Betrachtung das Ende nicht völlig klar sein dürfte. Fakt ist aber, dass es nicht sein kann, die Mädels in anderen Wettkämpfen antreten zu lassen (und damit auf ihren Einsatz in der U20 zu verzichten), mit der Begründung, dass die Jugendlichen nicht so wichtig wären, gleichzeitig aber man sich gewaltige Anstrengungen auferlegt, um einen anderen Spieler an Bord zu holen. Erst ist die Mannschaft zu unwichtig dafür, dass Theresa und Rebecca ihr zugunsten auf andere Spiele verzichten, dann muss aber der Staffelsieg geschafft werden, egal mit welchen Spielern, übrigens nur, damit die "alte Zusammenstellung" noch einmal auf Bundesebene spielen kann.

Jemand, der ohne Vorwissen die diesjährige Aufstellung liest, wird sich wundern. Da sitzt am ersten Brett jemand, der eine DWZ knapp über 2000 hat, gefolgt von einem anderen mit über 200 Punkten mehr. Am dritten Brett sitzt schließlich jemand, der auch noch ein My weiter rechts auf dem Zahlenstrahl spielt, als der am ersten. Wie ist das ohne Schiebung zu erklären? Die Sache mit Lion ist es nicht wert, sie anzusprechen. Hierüber gab es nie Streit und ich denke, dass wir beide stets mit den jeweiligen Aufstellungen so wie sie immer ausfielen, zufrieden waren. Jedoch wollte man, nachdem ich schon in der Grundsatzfrage zurückstecken musste, das erste Brett nicht mir, sondern eben dem fremden Spieler geben. Ich weiß nicht, ob mich außer den Dorfkönigen noch viele Schachspieler in dieser Angelegenheit verstehen. In früheren Jahren war das Spitzenbrett stets mit ein wenig Prestige versehen. Dort kreuzten die Besten Sachsens und Deutschlands die Klingen. Ich kann mich noch erinnern, dass vor einigen Jahren noch herzhaft um Stammpositionen gekämpft wurde. Im Laufe der Jahre hat sich das abgeschwächt, vielleicht auch, weil sich die Rangfolge etabliert hatte. Auf alle Fälle stand für mich, seitdem ich nach dem Aufstieg immer ganz vorne gespielt hatte, nie eine andere Platzierung zur Debatte. Und dies soll sich ändern aufgrund eines Spielers, den weder ich, noch irgendeiner im Verein kennt? Nur wegen einer höheren Wertzahl und der Hoffnung, aus dieser Konstellation heraus den Staffelsieg zu erzwingen, wurde mir ursprünglich das zweite Brett zugedacht. Bei der Frage ob wir uns in dieser Form verstärken, war u.a. meine Meinung zwar noch gefragt, später aber übergangen worden. Als es jetzt um das Wo ging, wurde gar nicht mehr gefragt. Ich will niemanden Boshaftigkeit unterstellen, schon gar nicht in unserem Verein, zumal sich die Sache noch zum Guten gewendet hat, aber mich kurz vor Meldeschluss beiläufig zu informieren, dass ich am zweiten Brett spiele, finde ich mehr als frech. Mein Debüt in dieser Mannschaft fand im Februar 1996 statt. Nach 8 Jahren mit unzähligen investierten Wochenenden habe ich meiner Ansicht nach schon das Recht in meiner letzen Spielzeit noch mal ganz vorn zu spielen.

Wahrscheinlich versteht mich niemand, und die wenigsten wird das hier überhaupt interessieren, aber für mich möchte ich noch mal ganz klar sagen: Wenn wir zur DVM fahren wollen, müssen wir das mit eigenen Kräften schaffen. Wir haben trotz einer ungerechtfertigten Verstärkung in Dresden verloren. Viel lieber hätte ich eine hohe Niederlage kassiert, und dabei mit sechs Leuten gespielt, die in Plauen bekannt sind.

Seit der letzten Landtagswahl muss man als Sachse etwas vorsichtiger sein, deshalb will ich damit schließen, dass es noch viel schlimmer gewesen wäre, wenn jetzt statt Tomas Zeleny jemand aus Hessen oder irgendwo anders aus Deutschland nur für jedes Spiel eine weite Strecke zurücklegen würde.

 

Matthias Hörr
Copyright © 2001- 2024 by Christian Hörr
letzte Änderung: 05.12.2022