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1. LANDESKLASSE St. B – Saison 2008/2009
 

Schwammesucher unterm Brombeerstrauch
oder wenn ein Turmopfer keinen Pfifferling mehr wert ist


"Pilze sei für mich die Schachfiguren des Waldes."

"Unterm Brombeerstrauch sucht net gleich jemand nach Schwamme." (Peter Paul)


Lion Pfeufers Springeropfer war eine Augenweide. Die beiden Remisangebote erreichten seine Ohren dagegen kaum. Sie erschienen ihm wie monotone Splitter im Hintergrundrauschen. Das Gesagte prallte nahezu ungehört an der Schutzmembran zur Rößnitzer Gedankenwelt ab, löste sich auf als Nichtssagendes und wurde schließlich völlig ignorierend in die Bedeutungslosigkeit abgeschoben, während der kreativen Suchtiefe, richtig in die Königsstellung des Leipzigers, Markus Schumacher, reinzuknallen. Eine Panne gleich zum Saisonauftakt - wie im vorigen Jahr - sollte dieses Mal zu Hause vermieden werden. Dass Turm Leipzig, der Neuling in der 1. Landesklasse, nur zu siebent ins Vogtland reiste, und also das zweite Brett unbesetzt ließ, mochte höchstens ein kleiner Bonus für die beinahe in Bestbesetzung angetretenen Plauener sein, keinesfalls aber mehr. Denn worüber Mathias Paul begann, sich den Kopf zu zerbrechen, war aus Mangel an Möglichkeit nicht seine eigene Partie, sondern die sieben anderen Partien sorgten ihn, bei deren Beobachtung ihn der Kopfschmerz allzu bald überfiel. Nicht nur, dass Sergej Lozovoy nur noch Armani nach außen trägt, auch auf dem Brett wurde lediglich Oberflächliches zur Schau gestellt. Von Franziska Gasch ließ er sich im geschlossenen Sizilianer den schwarzfeldrigen Läufer stibitzen, um danach auf den schwarzen Feldern hoffnungslos unterzugehen. Christof Beyer stellte seinen eben erst entwickelten Läufer wieder zurück nach f1. Das entsprach zwar in höchstem Maße der theoretischen Auffassung, konnte aber durchaus zu Stirnrunzeln bei all denen führen, die entweder solchen forcierten Varianten lieber aus dem Weg gehen oder die glauben, dass Figurenentwicklung immer nur nach vorn oder wenigstens seitwärts funktioniert. Und wer Wettkampfschach überhaupt erst einmal kennen lernen möchte, und das war bei einem so seltenen Gast wie der Freundin von Johannes Titz zumindest nicht ganz auszuschließen, bekam dann doch nichts anderes vorgeführt als eine eben erst entwickelte Figur, die ohne Zögern wieder auf ihr Ausgangsfeld zurückgestellt wurde. Dass Johannes Titz auch noch ohne Abscheu zum Froms Gambit griff, unterstrich vielmehr, dass Schachspieler völlig schamlos sind, auch wenn sie währenddessen gerade auf das Liebevollste in Augenschein genommen werden. Überraschend schnell streckte auch Lion Pfeufer seine Waffen. Dem schönen Springeropfer hatte er zum Finale ein hübsches Turmopfer obendrauf setzen wollen, um mit Dame und Keilbauer unverzüglich den weißen König mattzusetzen, doch diese Kombination kam leider ein bis zwei Züge zu früh, denn Weiß fand den nahezu unmöglichen Weg, wie die von der Verteidigung des Königs abgeschnittene Dame diesem doch noch im allerletzten Moment zur Hilfe kommen konnte, nach all dem investierten Material auch noch siegreich. Einer Sinnestäuschung unterlag auch Christian Hörr. Der gewählten Aljechin-Verteidigung seines Gegenübers begegnete er schon in der Eröffnung sehr aggressiv mit frühem Vorstoß auf der h-Linie, und bald jonglierte er dort ebenfalls mit Turmopfermotiven hin und her, die gegnerischen Möglichkeiten ließ er dabei unterschätzend bis ignorierend außer Acht. Spätestens nach diesem Partieverlust war die Zuschauermigräne perfekt. Der kampflosen Leipziger Punktvorgabe waren gleich drei Niederlagen hintereinander gefolgt. Die Könige lagen bedrohlich 1:3 im Rückstand und hatten aus eigener Kraft bei nur noch vier laufenden Partien noch nichts Zählbares zu Stande gebracht. Konnten da die vier restlichen Partien überhaupt noch eine Wende bringen? Christof Beyer konnte vor der Zeitkontrolle wenigstens auf 2:3 verkürzen. Der Läufer, der noch einmal die eigene Grundstellung besucht hatte, verhinderte nur wenig später die gegnerische Rochade. Entscheidend für den Partieausgang war aber erst der gefährlichere Freibauer auf dem Brett, den dessen Gegner, Gerhard Ziese, bis kurz vor Schluss nur als sehr unscheinbar wahrgenommen hatte. Das Remis von Johannes Titz änderte nichts am Rückstand der Plauener, aber zumindest an dessen Erkenntnis, dass es jetzt nun doch langsam Zeit werde, sich mit einer anderen Eröffnung zu beschäftigen. Schon früher hätten die alten Leute laut aufgelacht, sobald sich jemand in einer ernsthaften Partie beim Eröffnungszug den Doppelschritt auf der f-Linie getraute, gab Peter Paul der zukünftig beabsichtigten Titz'schen Enthaltsamkeit, natürlich nur das Froms Gambit betreffend, noch mit auf den Weg. Und wenn es mit der Wahl des Studienfachs, außerhalb des Schachs, ebenfalls Schwierigkeiten geben sollte, folgte gleich noch eine Lebensweisheit hinterher: "Anrufen und beleidigen, das hilft immer." Und irgendwie hatte Andreas Götz genau das geschafft, die Stellung seines Gegners, der im Endspiel Springer und Läufer zusammen viel stärker eingeschätzt hatte als Turm und Bauer, zu beleidigen. Doch wenn sich der Turm vor lauter Bewegungsfreiheit tummeln kann, und das wissen viele nicht, können die beiden Leichtfiguren schnell in Bedrängnis geraten. Solche so genannten Turmspieße, Bauer und den ihn deckenden Springer gleichzeitig so anzugreifen, ohne dass der Läufer die Farbe des Springerfeldes hat, ihm also nicht verteidigend zur Hilfe eilen kann, ja solche Turmspieße, die habe er gelernt. Und das wissen ja viele nicht, was das ist, so ein Turmspieß. War sein Gegner, Michael Apitzsch, schon von der Ablehnung des Remisgebots irritiert, verstand er jetzt die Welt überhaupt nicht mehr, denn nach dem Gewinn des vorgerückten a-Bauern verfügte Andreas Götz auf einmal über zwei verbundene Freibauern am Damenflügel, die - vom Turm unterstützt - das eigentlich remisträchtige Endspiel zu Gunsten des Plaueners kippten. Wenigstens der Ausgleich war jetzt geschafft. Etienne Engelhardt schien übergangslos an seine dunkle Caro-Kann-Vergangenheit anzuknüpfen, zwischenzeitlich waren wie gewohnt zwei Bauern auf der sechsten Reihe seine aggressivsten Vorposten, und bis zur Beendigung der Zeitnotphase konnte er den Stellungsnachteil nicht beseitigen. Doch während des beruhigenden Luftholens seines Gegners kippte die ganze Begegnung innerhalb von nur zwei Zügen. Im 41. Zug stellte der Leipziger, Klaus-Dieter Kläber, zuerst einen Bauern hin, erschrocken darüber, im nächsten Zug gleich noch eine Leichtfigur hinterher. Manchmal reicht es eben aus, in der Zeitnot einfach nur die Ruhe zu bewahren, gerade wenn beide Seiten nur noch jeweils fünf Minuten Zeitpolster besitzen, um noch so einige Züge zu absolvieren. Dann geraten manchmal vor allem jene aus der Ruhe, die gerade einen Schiedsrichterlehrgang besucht haben und trotzdem nicht genau wissen, wer denn jetzt bis zum Kontrollzug genau der Schreibpflicht unterliegt. Dann wird der Unterschied zwischen Theorie und Praxis wieder in der Praxis größer als in der Theorie. Theoretisch gilt allerdings auch, dass es für die Plauener Mannschaft genau dann zum Sieg reichen muss, wenn selbst der Teamchef gewinnt. Und diese Theorie hat dieses Mal praktisch gestimmt, obwohl einiges schief gegangen ist, sowohl bei Lion Pfeufer, dem gerade erst frisch gekürten Gewinner der Plauener Meisterschaft, als auch bei Sergej Lozovoy, dem Plauener Vizemeister.

Ungenießbar. 35. … Th1+? 36. Sxh1 - Dh7 37. Dc3 - Kf7
38. Dc4+ - Kg7 39. d4 - Dh3 40. Df1 und Weiß kann sich
noch retten. (Mit nur etwas mehr Geduld, 35. … Dh7!
36. Dc3 - Kg7, hätte Schwarz nach seinem Turmopfer Th1+!
und der anschließenden Mattdrohung … Dh3 noch zum
Genuss finden können.) 1-0

Gegen Dauergast Leipzig-Südost, den aktuellen Tabellenführer, darf freilich mit so einer Glückspilzhäufigkeit nicht gerechnet werden, zumal es noch eine Kleinigkeit gutzumachen gilt. Wer Pilze finden möchte, muss dafür in den Wald gehen. Um dabei besonders erfolgreich zu sein, sollte man während der Suche vor allem geduldig sein und ein ungewöhnliches Auge entwickeln. Unterm Brombeerstrauch sucht jedenfalls nicht gleich jemand nach Pilzen.

 

SK König Plauen II
SG Turm Leipzig
:
Pfeufer, Lion
2031
Schumacher, Markus
2028
0
:
1
Paul, Mathias
2139
Hewig, Dietmar
2009
+
:
Lozovoy, Sergej
1995
Gasch, Franziska
1923
0
:
1
Beyer, Christof
2049
Ziese, Gerhard
1876
1
:
0
Götz, Andreas
2066
Apitzsch, Michael
1995
1
:
0
Hörr, Christian
1858
Steinmetzer, Peter
1885
0
:
1
Engelhardt, Etienne
1860
Kläber, Klaus-Dieter
1840
1
:
0
Titz, Johannes
1951
Hermann, Markus
1780
½
:
½

 

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letzte Änderung: 05.12.2022