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Geschnapst und gepufft
oder warum Bauern nicht romantisch sind
Was mich massiv ärgert, dass
der Schrottpreis so zurückgegangen ist. (Frank
Marski)
Wer nicht verlieren kann, verdient
auch nicht zu gewinnen. (Edward Kennedy)
Drei Jahre liegt es nun schon zurück,
dass die Könige letztmalig das Stadtderby für
sich entscheiden konnten. Was sich währenddessen
ereignete, glänzte kaum, war wenig edel und wirkte
blechern bis rostig. Die 3:5-Niederlage gehörte
dazu und das magere Unentschieden in der letzten Saison.
Der Vogtländische Schachclub war auf dem besten
Weg, sich bei seinem Nachbarn einen respektablen Ruf
zu erarbeiten, und zwar als Angstgegner. Die scheinbare
Ebenbürtigkeit fundamentierte sich in der Fehleinschätzung
des tatsächlichen Kräfteverhältnisses,
als kaum einer mehr an eine Gaukelei glauben wollte,
der unermessliche Preis für etwas, was man sonst
nicht schätzte, beinahe nicht einmal wahrnahm,
plötzlich gerechtfertigt sein sollte, und also
einfach hingenommen wurde, im Moment, in dem die Hochstapelei
das Bodenlose zu beherrschen schien.
Gerade gegen Olaf Hilbig wollte Siegfried
Kadner nicht unbedingt spielen. Das hatte er sich bereits
das letzte Mal ganz anders vorgestellt, als Mathias
Paul schon nicht dessen Wunschgegner war. Entweder bestand
seine stille Hoffnung darin, dass die Könige nicht
in der Bestbesetzung antreten würden oder die geplatzte
Illusion, mit dem eigenen Team möglichst stark
anzutreten, erwischte ihn in jenem Augenblick der enttäuschten
Erwartung. Der VSC trat dieses Mal jedenfalls ohne Roland
Därr an, präsentierte dafür als Überraschungsgast
Detlef Mende, der sich in den letzten Jahren fast vollständig
vom Schach zurückgezogen hatte, den es also nur
gelegentlich ans Wettkampfbrett zog, und der im Café
Royal des Hotels Alexandra so zu seinem ersten
Saisonauftritt kam.
Das Match begann mit drei Punkteteilungen
durchaus friedlich. In drei der vier Schwarzpartien
gab es keinen Sieger: Lion Pfeufer verteidigte im Alapin
seine gedrückte Stellung gegen Frank Bicker, Christian
Hörr einigte sich mit Gerhard Rehbein nach schnellem
Übergang ins Endspiel ebenfalls recht früh
auf ein Unentschieden, wie auch nur wenig später
Sergej Lozovoy mit Vaceslav Ananev. Im Vergleich zur
umkämpften Partie während der 62. Plauener
Meisterschaft fand die Diskussion derselben Sveschnikov-Variante
dieses Mal ein zahmes Ende.
In allen anderen Partien wurde flink
gehämmert und laut gepresst. Detlev Mendes hausbackenes
Pirc-System geriet beispielsweise schon nach knapp zehn
Zügen in Schieflage und nach weiteren zehn Zügen
endgültig ins Räderwerk des weißen Druckspiels,
und zwar so schlimm, dass Schwarz in den nachträglichen
17 Zügen der mühseligen Restverwertung die
würdige Kapitulation verpasste. Interessant wäre
höchstens eine einzige Variante gewesen,
aber die wollte Detlev Mende nicht mehr sehen, zu viel
hatte er davor schon ansehen müssen, ohne dass
er auch nur etwas davon selbst vorhergesehen hätte.
Das finale Bekenntnis: Da geben wir eben
auf, kam indes viel zu spät. Diese Niederlage
gegen Christof Beyer reichte in ihrer Deutlichkeit tatsächlich
locker für zwei. Den Unterschied zwischen Weiß
und Schwarz in der Schlussstellung taxierte das Schachprogramm
Fritz mit zwanzig Bauerneinheiten. (Noch mehr Bauern,
nämlich nahezu Leihgaben aus zwei kompletten Figurensätzen,
wären nur in der dritten Runde der 12. offenen
VSC-Meisterschaft notwendig gewesen, um das üppige
Schlussbild zu bewerten, das Nachwuchsspieler Nils Süß
gegen Steffen Juntke gebastelt hatte. So etwas
Imposantes nur schnöde auf dreißig Bauerneinheiten
zu reduzieren, wirkt dann sogar latent verläppert.)
Wer zwischendurch Olaf Hilbig vermisste, konnte sich
entweder auf die Suche nach ihm begeben, wie es die
Kellnerin im Hotel Alexandra fragend probierte:
Wo ist die Cola?, um bei ihrem Versuch,
Lebewesen zu versachlichen, die erfolgreiche Antwort
bekam, dass die Cola hier sei oder ganz
anders, man lauschte einfach einem der nächsten
Remisgebote und konnte ebenso leicht fündig werden,
wie es der Kellnerin gelang. Olaf Hilbig nutzte im beiderseitigen
Turm-und-Läufer-Endspiel den komfortablen Raumvorteil
und den aktiven König zu seinem ersten Saisonerfolg.
Über eine vorteilhafte Stellung verfügte auch
Etienne Engelhardt, doch nur eine kurze Weile, nachdem
ihm Stefan Schulze Remis geboten hatte, geriet er aus
dem Tritt, vertändelte den Vorteil leichtfertig
wieder, bevor ihm in der Zeitnotsequenz das Glück
zur Seite stand, und er mit einem Fesslungsmotiv eine
Leichtfigur erobern konnte, so eine Mehrfigur behielt,
die nach erzwungenem Turmtausch keine Probleme mit den
allein gelassenen gegnerischen Bauern hatte. 4½:1½
nach den drei Unentschieden und den drei Partiesiegen
in Folge war das Match damit schon entschieden. Diese
Nachricht kam Andreas Götz gerade recht, weiterhin
genüsslich seine pathologische Freude auskosten
zu können, das vierte Mal hintereinander mit den
schwarzen Steinen zu agieren, weil er schon gar nicht
mehr wisse, wie es mit den weißen Figuren geht.
Nachdem er alle Bauern in Alexander Klassens Rochadestellung
rasiert hatte, opferte er zuerst eine Qualität
und anschließend noch einen Läufer. Erst
dann wurde das virtuose Zusammenspiel seines schwarzen
Figurenensembles vollständig vor dem Auge des Betrachters
sichtbar. Die weiße Stellung war selbst mit einem
Turm mehr nicht mehr verteidigungsfähig.
Seelenruhig begann Andreas Götz nun, die gegnerischen
Figuren nacheinander einzusammeln, bis er schließlich
dafür mit seinem bereits vierten Saisonsieg belohnt
wurde. (Wer sich davon überfordert fühlte,
hatte die Formulierung schwer tun in seinem auch
sonst übersichtlichen Wortschatz.) Von diesem vorweihnachtlichen
Siegesreigen angesteckt, wollte Mathias Paul selbstverständlich
auch zum großartigen Erfolg beitragen. Er fühlte
sich inspiriert, das Gleichgewicht in seiner Partie
mit einem Qualitätsopfer zu stören, das allerdings
nicht durchschlug. Er erhielt zwar wenigstens die Qualität
zurück, aber in dem zum Schluss entstandenen Springerendspiel
unterschätzte er die rasant vorwärts stürmenden
Bauern völlig und wurde schließlich Opfer
von Stefan Merkels präziser Endspielbehandlung.
Diese Niederlage war aber höchstens ein kleiner
Schönheitsfehler, der in der statistischen Streuung
eines deutlichen Mannschaftserfolgs verschwand.
Sekundärveredlung.
47.
h2+!! 48. Txh2 Se2+
49. Kf2 Tf8+ 50. Sf3 Txf3+ (50 ... Dg3+
51. Kxe2 Lxf3+
52. Ke3 Ld1+ 53. Kd4 De5+ Ke3 Tf3#)
Kxe2 Th3+!
Jetzt nehm ich sie ihm alle weg. 01
Die Könige führen jetzt verlustpunktfrei
die Tabelle an, nachdem Lok-Leipzig-Mitte III. den ersten
Punkt in Grimma eingebüßt hat. Christof Beyer
wird es als angenehm empfinden, endlich sein kleines
Trauma besiegt zu haben: Während er in den vergangenen
beiden Spielserien in der Oberliga und in der 2. Bundesliga
keine einzige Partie verloren hatte, unterlag er in
der 1. Landesklasse insgesamt zweimal, und zwar immer
im entscheidenden Moment des Stadtduells gegen den VSC
Plauen. So mancher Teamchef hätte ihn wohl dieses
Mal auf gar keinen Fall eingesetzt.
Manchmal ist es notwendig, während
einer Schachpartie umzuziehen, die untere Ebene zu verlassen,
um sich auf eine höhere zu begeben, wie also in
diesem Fall, aus dem Café Royal im Hotel
Alexandra zu gehen, um in die obere Etage zu wechseln,
und wenn es nur dafür gut ist, einmal beobachten
zu können, dass der gemeine Nasenbär tatsächlich
immer mit erhobenem Schwanz balanciert.
SK König Plauen II
|
|
VSC Plauen 1952
|
5½
|
:
|
2½
|
Pfeufer,
Lion |
2031
|
|
Bicker,
Frank |
1959
|
½
|
:
|
½
|
Paul,
Mathias |
2139
|
|
Merkel,
Stefan |
1879
|
0
|
:
|
1
|
Lozovoy,
Sergej |
1995
|
|
Ananev,
Vaceslav |
1849
|
½
|
:
|
½
|
Beyer,
Christof |
2049
|
|
Mende,
Detlev |
2016
|
1
|
:
|
0
|
Götz,
Andreas |
2066
|
|
Klassen,
Alexander |
1914
|
1
|
:
|
0
|
Hilbig,
Olaf |
2013
|
|
Kadner,
Siegfried |
1902
|
1
|
:
|
0
|
Hörr,
Christian |
1858
|
|
Rehbein,
Gerhard |
1868
|
½
|
:
|
½
|
Engelhardt,
Etienne |
1860
|
|
Schulze,
Stefan |
1798
|
1
|
:
|
0
|
|
|