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1. LANDESKLASSE St. B – Saison 2008/2009
 

Geschnapst und gepufft
oder warum Bauern nicht romantisch sind


„Was mich massiv ärgert, dass der Schrottpreis so zurückgegangen ist.“ (Frank Marski)

„Wer nicht verlieren kann, verdient auch nicht zu gewinnen.“ (Edward Kennedy)


Drei Jahre liegt es nun schon zurück, dass die Könige letztmalig das Stadtderby für sich entscheiden konnten. Was sich währenddessen ereignete, glänzte kaum, war wenig edel und wirkte blechern bis rostig. Die 3:5-Niederlage gehörte dazu und das magere Unentschieden in der letzten Saison. Der Vogtländische Schachclub war auf dem besten Weg, sich bei seinem Nachbarn einen respektablen Ruf zu erarbeiten, und zwar als Angstgegner. Die scheinbare Ebenbürtigkeit fundamentierte sich in der Fehleinschätzung des tatsächlichen Kräfteverhältnisses, als kaum einer mehr an eine Gaukelei glauben wollte, der unermessliche Preis für etwas, was man sonst nicht schätzte, beinahe nicht einmal wahrnahm, plötzlich gerechtfertigt sein sollte, und also einfach hingenommen wurde, im Moment, in dem die Hochstapelei das Bodenlose zu beherrschen schien.

Gerade gegen Olaf Hilbig wollte Siegfried Kadner nicht unbedingt spielen. Das hatte er sich bereits das letzte Mal ganz anders vorgestellt, als Mathias Paul schon nicht dessen Wunschgegner war. Entweder bestand seine stille Hoffnung darin, dass die Könige nicht in der Bestbesetzung antreten würden oder die geplatzte Illusion, mit dem eigenen Team möglichst stark anzutreten, erwischte ihn in jenem Augenblick der enttäuschten Erwartung. Der VSC trat dieses Mal jedenfalls ohne Roland Därr an, präsentierte dafür als Überraschungsgast Detlef Mende, der sich in den letzten Jahren fast vollständig vom Schach zurückgezogen hatte, den es also nur gelegentlich ans Wettkampfbrett zog, und der im Café Royal des Hotels Alexandra so zu seinem ersten Saisonauftritt kam.

Das Match begann mit drei Punkteteilungen durchaus friedlich. In drei der vier Schwarzpartien gab es keinen Sieger: Lion Pfeufer verteidigte im Alapin seine gedrückte Stellung gegen Frank Bicker, Christian Hörr einigte sich mit Gerhard Rehbein nach schnellem Übergang ins Endspiel ebenfalls recht früh auf ein Unentschieden, wie auch nur wenig später Sergej Lozovoy mit Vaceslav Ananev. Im Vergleich zur umkämpften Partie während der 62. Plauener Meisterschaft fand die Diskussion derselben Sveschnikov-Variante dieses Mal ein zahmes Ende.

In allen anderen Partien wurde flink gehämmert und laut gepresst. Detlev Mendes hausbackenes Pirc-System geriet beispielsweise schon nach knapp zehn Zügen in Schieflage und nach weiteren zehn Zügen endgültig ins Räderwerk des weißen Druckspiels, und zwar so schlimm, dass Schwarz in den nachträglichen 17 Zügen der mühseligen Restverwertung die würdige Kapitulation verpasste. Interessant wäre höchstens eine einzige Variante gewesen, aber die wollte Detlev Mende nicht mehr sehen, zu viel hatte er davor schon ansehen müssen, ohne dass er auch nur etwas davon selbst vorhergesehen hätte. Das finale Bekenntnis: „Da geben wir eben auf“, kam indes viel zu spät. Diese Niederlage gegen Christof Beyer reichte in ihrer Deutlichkeit tatsächlich locker für zwei. Den Unterschied zwischen Weiß und Schwarz in der Schlussstellung taxierte das Schachprogramm Fritz mit zwanzig Bauerneinheiten. (Noch mehr Bauern, nämlich nahezu Leihgaben aus zwei kompletten Figurensätzen, wären nur in der dritten Runde der 12. offenen VSC-Meisterschaft notwendig gewesen, um das üppige Schlussbild zu bewerten, das Nachwuchsspieler Nils Süß gegen Steffen Juntke gebastelt hatte. So etwas Imposantes nur schnöde auf dreißig Bauerneinheiten zu reduzieren, wirkt dann sogar latent verläppert.) Wer zwischendurch Olaf Hilbig vermisste, konnte sich entweder auf die Suche nach ihm begeben, wie es die Kellnerin im Hotel Alexandra fragend probierte: “Wo ist die Cola?“, um bei ihrem Versuch, Lebewesen zu versachlichen, die erfolgreiche Antwort bekam, dass die Cola hier sei – oder ganz anders, man lauschte einfach einem der nächsten Remisgebote und konnte ebenso leicht fündig werden, wie es der Kellnerin gelang. Olaf Hilbig nutzte im beiderseitigen Turm-und-Läufer-Endspiel den komfortablen Raumvorteil und den aktiven König zu seinem ersten Saisonerfolg. Über eine vorteilhafte Stellung verfügte auch Etienne Engelhardt, doch nur eine kurze Weile, nachdem ihm Stefan Schulze Remis geboten hatte, geriet er aus dem Tritt, vertändelte den Vorteil leichtfertig wieder, bevor ihm in der Zeitnotsequenz das Glück zur Seite stand, und er mit einem Fesslungsmotiv eine Leichtfigur erobern konnte, so eine Mehrfigur behielt, die nach erzwungenem Turmtausch keine Probleme mit den allein gelassenen gegnerischen Bauern hatte. 4½:1½ – nach den drei Unentschieden und den drei Partiesiegen in Folge war das Match damit schon entschieden. Diese Nachricht kam Andreas Götz gerade recht, weiterhin genüsslich seine pathologische Freude auskosten zu können, das vierte Mal hintereinander mit den schwarzen Steinen zu agieren, weil er schon gar nicht mehr wisse, wie es mit den weißen Figuren geht. Nachdem er alle Bauern in Alexander Klassens Rochadestellung rasiert hatte, opferte er zuerst eine Qualität und anschließend noch einen Läufer. Erst dann wurde das virtuose Zusammenspiel seines schwarzen Figurenensembles vollständig vor dem Auge des Betrachters sichtbar. Die weiße Stellung war selbst mit einem Turm mehr nicht mehr verteidigungsfähig. Seelenruhig begann Andreas Götz nun, die gegnerischen Figuren nacheinander einzusammeln, bis er schließlich dafür mit seinem bereits vierten Saisonsieg belohnt wurde. (Wer sich davon überfordert fühlte, hatte die Formulierung schwer tun in seinem auch sonst übersichtlichen Wortschatz.) Von diesem vorweihnachtlichen Siegesreigen angesteckt, wollte Mathias Paul selbstverständlich auch zum großartigen Erfolg beitragen. Er fühlte sich inspiriert, das Gleichgewicht in seiner Partie mit einem Qualitätsopfer zu stören, das allerdings nicht durchschlug. Er erhielt zwar wenigstens die Qualität zurück, aber in dem zum Schluss entstandenen Springerendspiel unterschätzte er die rasant vorwärts stürmenden Bauern völlig und wurde schließlich Opfer von Stefan Merkels präziser Endspielbehandlung. Diese Niederlage war aber höchstens ein kleiner Schönheitsfehler, der in der statistischen Streuung eines deutlichen Mannschaftserfolgs verschwand.

Sekundärveredlung. 47. … h2+!! 48. Txh2 – Se2+
49. Kf2 – Tf8+ 50. Sf3 – Txf3+ (50 ... Dg3+ 51. Kxe2 – Lxf3+
52. Ke3 – Ld1+ 53. Kd4 – De5+ Ke3 – Tf3#) Kxe2 – Th3+!
“Jetzt nehm’ ich sie ihm alle weg.“ 0–1

Die Könige führen jetzt verlustpunktfrei die Tabelle an, nachdem Lok-Leipzig-Mitte III. den ersten Punkt in Grimma eingebüßt hat. Christof Beyer wird es als angenehm empfinden, endlich sein kleines Trauma besiegt zu haben: Während er in den vergangenen beiden Spielserien in der Oberliga und in der 2. Bundesliga keine einzige Partie verloren hatte, unterlag er in der 1. Landesklasse insgesamt zweimal, und zwar immer im entscheidenden Moment des Stadtduells gegen den VSC Plauen. So mancher Teamchef hätte ihn wohl dieses Mal auf gar keinen Fall eingesetzt.

Manchmal ist es notwendig, während einer Schachpartie umzuziehen, die untere Ebene zu verlassen, um sich auf eine höhere zu begeben, wie also in diesem Fall, aus dem Café Royal im Hotel Alexandra zu gehen, um in die obere Etage zu wechseln, und wenn es nur dafür gut ist, einmal beobachten zu können, dass der gemeine Nasenbär tatsächlich immer mit erhobenem Schwanz balanciert.

 

SK König Plauen II
VSC Plauen 1952
:
Pfeufer, Lion
2031
Bicker, Frank
1959
½
:
½
Paul, Mathias
2139
Merkel, Stefan
1879
0
:
1
Lozovoy, Sergej
1995
Ananev, Vaceslav
1849
½
:
½
Beyer, Christof
2049
Mende, Detlev
2016
1
:
0
Götz, Andreas
2066
Klassen, Alexander
1914
1
:
0
Hilbig, Olaf
2013
Kadner, Siegfried
1902
1
:
0
Hörr, Christian
1858
Rehbein, Gerhard
1868
½
:
½
Engelhardt, Etienne
1860
Schulze, Stefan
1798
1
:
0

 

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letzte Änderung: 05.12.2022