Plädoyer für die B-Note im Schach

Nigel Short hatte sich kürzlich am Rande des FIDE World Cups halb im Spaß, halb im Ernst dafür ausgesprochen, auch im Falle eines Patts einen Partiesieger zu küren. Es könne ja schließlich nicht angehen, dass man ohne einen regelkonformen Zug auch noch zu Punkten käme. Da ist es dann ein bisschen wie im Fußball, wo eine Mannschaft 70% Ballbesitz und dutzende Torchancen hatte, nur um in der 89. Minute durch einen unberechtigten Elfmeter sogar noch zu verlieren. Aber Schach und Fußball sind nun mal nicht Boxen, wo ein Knockout zwar schön anzusehen, aber letztlich auch nicht mehr wert ist als ein dröger Punktsieg.

Beim 15. Nürnberger Zabo-Open bewiesen vor allem die Gegner der Hörr-Brüder Nehmerqualitäten, denn bis auf eine Ausnahme war den beiden Plauenern in 10 Partien immer die Favoritenrolle beschieden. So brachte es Christian in der Auftaktrunde nicht fertig, einen DWZ-Vorsprung von knapp 500 Punkten nachzuweisen und stand eher noch am Rande einer Niederlage. Ähnliches wiederholte sich in Runde 5, wo es abermals mit Schwarz nicht gelang, ausreichend Komplikationen herbeizuführen. Immerhin wurde mit zwei einigermaßen soliden Weißsiegen das Minimalziel von 3 Punkten erreicht, wenngleich angesichts der mauen Gegnerschaft mit spürbaren DWZ-Einbußen gerechnet werden muss.

Matthias brauchte für seinen Erstrundensieg zwar kaum eine Stunde und so konnte er auf der Zaboraner Kirmes mit Black Purple (nicht etwa Deep Sabbath!) und einem schalen Landbier noch richtig abhotten. Am Samstagmorgen mussten aber schon Defekthexe, Wattfraß und General Zeit bemüht werden, um gegen den Underdog einen Minivorteil zum Sieg zu verdichten. In Runde 3 entglitt ihm schließlich eine Mehrqualität so sehr, dass die eigene Aufgabe schon eingepreist war. In der folgenden Schlussstellung wurde mangels origineller Gewinnideen Remis vereinbart:

Matthias Hörr (2139) – Tolga Ulusoy (2007) ½:½. Mit welchem Manöver hätte Schwarz gewinnen können?

Nach einem leistungsgerechten Remis in Runde 4 gelang Matthias immerhin noch ein schöner Weißsieg gegen den Reichenbacher Ulrich Phenn. Mit 4 aus 5 und Platz 12 reichte es zwar wie erwartet nicht für ein Preisgeld, aber angesichts dieser Frühform muss man sich um den Punktspielauftakt am kommenden Wochenende keine großen Sorgen machen.

Als Trost für die teilweise zähen Partien gegen vermeintlich schwächere Gegnerschaft kann immerhin gelten, dass auch die Titelträger an der Spitze ihre liebe Mühe und Not hatten. So stand z. B. der Auer Turniersieger Viesturs Meijers mindestens einmal klar auf Verlust und auch Elofavorit Ferenc Langheinreich konnte über seine beiden Remisen eher froh als verärgert sein. Und so muss man sich fragen, ob Remis überhaupt ein gerechter Partieausgang sein kann, wenn nur eine Seite am Drücker war („This was White’s game, don’t you agree?!“). Schön wäre es doch, wenn zusätzlich zum eigentlichen Ergebnis eine Stilnote vergeben werden würde.