Oberliga: Rauchende Duelle in Magdeburg

Die Erste hatte am Wochenende seit langer Zeit wieder einmal das Vergnügen, ihre Kondition in einer Doppelrunde unter Beweis zu stellen. Ausdauer war dabei schon während der Anfahrt vonnöten. Im Stimmungsgefälle von Baustellen und Sackgassen im nicht allerorten grünen Streifen zwischen Greiz und Altenburg kam unserer mitgereisten Präsidentengattin gar der Gedanke, dass ihr Mann weit umgänglicher ist als so mancher Schönwetter-Ortskundiger. Erst drei Minuten vor Rundenbeginn trudelten wir im regnerischen Magdeburg ein – Zeit für Bananenkäufe blieb also nicht.

Zunächst stand die vermeintlich leichtere Aufgabe gegen Rochade Magdeburg an. Das erste entscheidende Manöver vollführte Lutz; jedoch jenseits des Schachbretts. Eine freie Auslegung der schiedsrichterlichen Anweisung „Rauchen bitte vor der Tür!“ sicherte ihm kurze Wege. Dem entsprach auch seine Mittelspiel-Behandlung: Wenig Raum, dafür eine kraftvolle Figurenaufstellung. Sein Gegner erlag angesichts dessen der Versuchung, seine Positionen zu überdehnen und fand sich letztlich in einem aussichtslosen Endspiel mit Turm gegen zwei Leichtfiguren wieder. Kura hatte seine Partie noch etwas eher beendet. Das Verschmähen eines Gambitbauerns führte alsbald zu einer fleischlosen Stellung, bei der zu allem Überfluss fast jeder Zug den Abtausch eines Figurenpaares nach sich zog. Man einigte sich folglich schnell auf Remis.
Das gleiche Ergebnis lieferte die Partie am Spitzenbrett, nur war hier der Spielverlauf überaus hektisch. Tomasz wurde von einer Opferstafette überzogen, die ihm zwar einen höllischen Materialvorteil bescherte, letztlich aber doch die Zugwiederholung erzwang. Roland konnte hingegen überzeugend einen ganzen Punkt beisteuern. Seine Stellung entwickelte sich nach der Eröffnung prächtig; die Diagonalen gegen den schwarzen König waren so fest in seiner Hand, dass es nur noch ein Handgemenge unter Bauern bedurfte, um die Partie zu beenden. Ich selbst griff schon in der Anfangsphase zu so seltsamen Manövern, dass ich lange Zeit fürchten musste, als Erster meine Partie beenden zu müssen. Zwar gelang es mir im Mittelspiel, meiner Ruine einen gewissen Charme zu verleihen, doch mit der mir unverhofft in die Hände gefallenen Aktivität konnte ich nur wenige Züge gut umgehen. Wie schon in der Eröffnung gab ein extravaganter Zug das Spiel erneut aus den Händen. Mein Verlust blieb jedoch ohne schlimme Folgen für die Mannschaft.
Grzegorz überraschte alle Kiebitze im Bauernendspiel. Nicht der entfernte Freibauer seines Gegners, sondern seine eigene Bauernwalze am anderen Flügel entschied den Tag. Auch Jacek profitierte von einem Aussetzer, der das Gleichgewicht zu seinen Gunsten verschob. Als sich der Rauch nach der Zeitkontrolle lichtete, hatte er einen glatten Bauern mehr, der zudem noch weit ins feindliche Lager vorgedrungen war. Die Abwicklung in ein simples Endspiel war reine Formsache. Letzteres gelang Sven leider weit weniger gut. Zwar nahmen auch seine Bauern gewaltig Fahrt auf, benötigten dann aber Figurenunterstützung. Beim Zusammenführen der Kräfte unterlief ihm eine Ungenauigkeit, welche die Angelegenheit unnötig verkomplizierte. Am Ende stand sein tapferster Bauer zwar direkt vor der Umwandlung, doch seinem König war nicht mehr einzureden, von der Schaukelpartie mit der feindlichen Dame abzulassen.

Im Ganzen war der Mannschaftskampf zwischenzeitlich weit weniger klar, als es das Endergebnis von 5.5-2,5 vermuten lässt. Es war also abzusehen, dass wir am Sonntag gegen die nominell stärkeren Magdeburger von Aufbau-Elbe umso härter um Zählbares kämpfen mussten. Denen verhalf eine wundersame Wendung zu einem knappen Sieg über Chemnitz, weshalb uns ein echtes Spitzenspiel bevorstand. Selbstverständlich tat das unserem heiteren Abend keinen Abbruch. Da beide Magdeburger Mannschaften zum Sonntag anders aufstellten, wäre eine intensive Vorbereitung auch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.

Recht schnell herrschte auf Jaceks Brett eine fast völlig symmetrische Aufstellung, die keinen Ansatz für eine sehenswerte Partie bereithielt und entsprechend Remis gegeben wurde. Tomasz konnte mit den schwarzen Steinen genauso wenig Unruhe stiften und gab sich mit dem gleichen Resultat zufrieden. Problematisch wurde es dann, als Lutz in Bedrängnis geriet. Für sein zielgerichtetes Auftreten vom Vortag wurde ihm das Etikett des Vandalen umgehangen, wodurch sich seine Laufwege wieder erweiterten. Auch auf dem Brett brachte ihn sein direktes Vorgehen dieses Mal in Nachteil. Die sich in der Vorwärtsbewegung befindlichen Figuren zeigten sich außer Stande, die Koordination aufrecht zu erhalten, was umgehend die Null nach sich zog. Gleichzeitig hatte es Kura versäumt, Initiative für seinen geopferten Bauern zu erzwingen und auch Rolands Position machte auf mich einen sehr gepressten Eindruck. Für einen Lichtblick sorgte erneut Grzegorz, der aus einer geschlossenen Position heraus ein wildes Ringen anstiftete und dieses auch für sich entschied. Noch heller wurde es, als Roland seinen Gegner zum organisierten bis panischen Rückzug zwang und noch vor Beendigung der vierten Stunde gewann. Für einen Sieg bedurfte es nun noch 1,5 Punkte an drei bespielten Brettern, wobei sich Kuras Perspektiven sehr rasch verdüsterten. Svens Gewinnbemühungen standen im Schatten des Stellungspechs. Ein langer Schlagabtausch führte nur aufgrund unscheinbarer Details nicht zum Durchbruch. Im Turmendspiel behauptete er zwar einen Mehrbauern, doch die Chancen, diesen zu verwerten, waren weit schlechter als am Vortrag. Mir hatte die abendliche Reinigung in Feuer und Wasser streckenweise offenbar ganz gut getan. Ähnlich wie mein Gegner am Vortag gab ich den Eröffnungsvorteil aber nach und nach wieder aus der Hand; einen simplen taktischen Gewinn lies ich großzügig aus und fand mich nach der Zeitkontrolle in einem öde anmutenden Endspiel mit Turm und ungleichfarbigen Läufern wieder.
Sven war bei seinen 170 Zügen an diesem Wochenende kein siegbringendes Glück beschieden – auch dieses Mal konnte sein Gegner sämtliche Endspieltricks abblocken und in ein technisches Remis erzwingen. Bei mir lief es besser. Unter Mithilfe der passiven Verteidigungsstrategie meines Gegners bekam ich tatsächlich nochmals den Ausklopfer in die Hand, mit dem ich die Schwächen im feindlichen Lager großflächig bearbeiten konnte. In der Endabrechnung standen also die benötigten 4,5 Punkte auf unserem Konto.

Beide Kämpfe nahmen einen engen Verlauf – am Sonntag schienen wir zwischenzeitlich mit einem Unentschieden gut bedient zu sein. Doch durch den glücklichen Sieg haben wir uns nicht nur von einem weiteren Konkurrenten absetzen können, sondern auch noch die weitesten Auswärtsspiele der Saison erfolgreich bestritten. In der Tabelle liegen wir nun punktgleich mit Hoyerswerda auf dem ersten Platz, dicht gefolgt von den beiden Leipziger Mannschaften, die bisher nur im vereinsinternen Vergleich Punkte ließen.