Nachlese VfB-Open

Die Leipziger Zementmischer können wieder aufatmen: Mit der Buchmesse haben die Schachrabauken die Stadt verlassen. Die komplette letzte Woche marodierte ich dort zusammen mit dem mitteilsamen Erik (flatrate!) und den gefürchteten Daniels (auch abseitiges Equipment findet Verwendung). Anlass sollte das VfB-Open in der Red-Bull-Arena gewesen sein oder ging es etwa doch um anderes?

Jaja, auch hierfür war Zeit. Aber verdammte Axt, wo ist dieser scheiß Festplatz?

Anfangs noch bei Leipziger Schachfreunden einquartiert folgte ich am zweiten Turniertag den Geistern, die mich riefen. Ihr reger Reigen entführte mich an das gestrandete Fluggerät, nahe dem von nun an auch meine Fahne im Casa del Daniel wehte. Bei dieser Pressdeckung konnte es freilich nicht ausbleiben, dass sich alsbald Socken und Buxen an den unmöglichsten Orten sammelten. Und siehe da: Die beste Hose ist immer noch die Leihhose. Man wohnt robust.

Schachlich hatte es zum Zeitpunkt meines Umzug bereits kräftig gewirbelt. Erik erschrak  in Runde 1 am Spitzenbrett nicht vor der windigen Eröffnungsbehandlung von GM Alexander Graf. Neben der Turnierleitung richtete auch er unangenehme Fragen an den Großmeister. Nach 20 Zügen verzeichneten beide Uhren nur mehr noch knapp über 15 Minuten. Erik bot Remis, als allein eine digitale Ausrede die großmeisterliche Position hätte am Leben halten können. Graf willigte ein und auch Daniel Helmrich konnte als Underdog einen halben Zähler einheimsen.

Erik Fischer (1869) – GM Alexander Graf (2583): Eine Auftaktniederlage wäre doch zu blöd. Veröffentlichung des Fotos mit freundlicher Genehmigung der freundlichsten Turnierleitung.

Mir flog in der Auftaktrunde zum zweiten Mal in drei Tagen die Eröffnung um die Ohren, weshalb ich über ein Remis nicht hinaus kam. Im weiteren Turnierverlauf fehlte mir andauernd dieser halbe Punkt, um gegen die Großen gelost zu werden. Stattdessen zog das anfängliche Gepatze jeweils ein Freundschaftsspiel in Runde 4 und 8 nach sich. Nicht schlecht staunten die Kiebitze allerdings bereits in Runde 2, als ich mit Schwarz meinen 800-punktigen Wertzahl-Vorsprung in Folgendes ummünzte:

Bromert, Tobias (DWZ 1357) – Hörr, Matthias (DWZ 2145): Hier hielten die Kiebitze 29. … Tc7 für erzwungen, was aber an 30. Dg6 Df3 31. Dd6 scheitert. Ich setzte alles auf die flotte Vorwärtsverteidigung 29. … Lf6, wonach mein Gegner tatsächlich den Faden verlor: 30. Lb4 Lc6 31. Se4 Db3 (auch Schwarz kann drohen) 32. Dh6 Lg7 33. Df4 Te8 34. Sd6 Lf3 mit späterem 0:1

Die Außenstehenden ahnten wohl nur dunkel, welchem Stimmungseinbruch sie hier verdammt knapp entkamen. Einem Leipziger Schachfreund, dem in der gleichen Situation das Glück nicht so hold war wie mir, schmiss daraufhin übrigens das Turnier.

Zu solchen Maßnahmen drängte es uns danach nicht mehr. Die Jungs remiserten, mal sicherer, mal weniger, mal aus Verzweiflung, mal aus Großmütigkeit. „Ich biete immer Remis, sobald ich einen aktiven Zug machen kann.“ Einige Siege fielen auch ab – was der Leber missfiel. Insbesondere Daniel ZZ hatte deutlich stärkere Gegner. Dumm lief es in der achten Runde, als wir beide gegen einander gepaart wurden, während Daniel und Erik unseren Niederlagenzähler mit einem Schlag verdoppelten. Hach, ausgerechnet gegen den, ausgerechnet so!

Aber gut; anders als ich zeigten die Jungs selbst in diesem Setting menschliche Größe und so verlief unser letzter Abend angenehmer als der tags zuvor. Denn wer freut sich nicht, wenn Karriereempfehlungen dem Wrack einer Fregatte entweichen? Dabei trafen sich in der Pleißenburg ja doch nur Land- und Leseratten. Naja, und Leichtmatrosen.

Die letzte Runde fand dann unter denkwürdigen akustischen Verhältnissen statt. Aber wir nahmen das hin, schließlich gab es PUNKTE, PUNKTE, PUNKTE – wenn auch nicht auf dem Schachbrett. Ob andere Sportler ahnen, wie lang wir brauchen, bis wir mal zur Siegerehrung kommen?

  • 10. Matthias Hörr 6,5/9 (2155, -9)
  • 18. Daniel Zähringer 5,5/9 (2149, +48)
  • 30. Erik Fischer  5/9 (2030, +39)
  • 58. Daniel Helmrich 4/9 (1884, +26)

(100 Teilnehmer. Man beachte, dass Daniel mit einem Punkt weniger als ich die gleiche Performance erzielte…)

Einsteller, Nervengifte und schlechte Witze leiteten wir hierhin um.  Manches davon wurde aber abgewiesen.

Wir schließen mit Sprüchen und Lehren aus dem Buch der Weisen.

  • Bin ich nicht hier, bin ich aufm Parkdeck – man wird doch hier oben irgendwie raus kommen.
  • Barkeeper reagieren auf Dreistigkeit wie Türsteher aufs Einmaleins.
  • „Seht ihr schon irgendwelche Kirchen?“
  • Was ruft er auch noch so spät an, dieser Spast?!
  • „Dein Schnarchen klingt wie’s Furzen.“ – Symptome der seltenen Grippe kneipicus
  • Über den gepflegten Umgang mit Eltern: „Na kommt ihr jetzt noch?“
  • Diese Geschichte mit den Reiskörnern auf den Schachfeldern funktioniert übrigens auch mit Katzenstreu – Gruß an die Mädelz!
  • Rucksäcke sind im FloPo zu lagern, nicht an der Uni.
  • „Wie, Du hast noch Teller?“

Ach, und natürlich das Wichtigste: Auch Daniel ist noch immer ganz der alte.