Team II – Sieg oder Remis – die Sicht eines Kiebitz

Es ist wie so oft, die bloße Ansicht des Ergebnisses lässt nicht den Hauch von Dramatik vermuten, denn als Tabellenführer sollte die Auswärtsaufgabe beim Tabellenletzten eigentlich einer Pflicht  gleichen.

Als Erster hatte ihr Autor nach fehlerfreier Leistung seine Partie beendet. Praktisch alles gesehen und (im Nachgang bewertet) niemals mehr als 0,2 Silikonpunkte pro Zug eingebüßt. Was wie eine weltmeisterliche Bilanz klingt, hatte das Problem,  dass der Stellung einfach die Komplexität fehlte, um aus der 300 Punkt Wertzahldifferenz mit den meinigen Waffen irgendwie noch Kapital zu schlagen und so musste ich die mir per MEGA-Spickzettel gestellte Frage

selbstkritisch und kleinlaut beantworten. So ein Frevel bleibt natürlich nicht ungesühnt und so musste ich Ersten lange warten und Zweitens aber auch noch als Kiebitz sehr leiden.

Hochzufrieden konnte man mit der Ersatzspielerbank an jenem Tage sein. Tobias Franz an 7 gewann praktisch aus der Eröffnung heraus und Toni Merkel an Brett 6 zerdrückte seinen Gegner im Springer-Damenendspiel. Alles schien gut zu werden, jedoch weit gefehlt.

Nach ca. 3,5 Stunden machte ich mich beim Stande von 2,5:0,5 wieder tiefenentspannt auf eine Kiebitzrunde. Daniel Helmrich hatte an Brett 8 nach bisher sauberer Leistung gerade einen kurzen strategischen Wackler, bei dem sein Gegner praktisch mit einem Zug sein Läuferpaar völlig töten kann, ohne dass irgendein Hebel in Sicht war. Naja, dachte ich mir, nicht so schlimm. Weiter an Brett 4, klar war bei Christof Beyer das Brett noch voll, das war es aber auch schon an positiven Aspekten. Weiter an Brett 3, Mannschaftsleiter Erik Fischer machte sich hier gerade auf, die Festung seines Gegners zu knacken, jedoch hatte ich so meine Zweifel ob der Methodik. Klar beim Stand von 3:4 müsste man so spielen aber hier, naja wird schon gut gehen, zur Not sind Turmendspiele immer Remis. Weiter am Brett 2. Hier löste sich Lion Pfeufers Angriff langsam in Luft auf. Sein Angriffsläufer, das einstige Prunkstück seiner Armada, diente nur noch als Notnagel des eigenen Bretterverschlages und wenn der eigene König einen gefühlten halben Meter von einem Bauernschutzwall entfernt steht, darf man sich als Kiebitz so seine Sorgen machen, naja weiter zu Brett 1. Aber auch hier war für mich nicht zu sehen, wie Edvin Fischers Königsangriff durchschlagen sollten. Ich dachte, ‚eigentlich würde ich langsam lieber schwarz nehmen‘.

Mein Kreislauf war nun endgültig in Schwung, Herzschlag und Blutdruck stiegen. Unruhig und hastig machte ich mich auf den Rückweg. Bei Lion an 2 verweilte ich nur kurz, ohne mehr Gefallen an seiner Stellung zu finden. Weiter zu Erik an Brett 3, alles was auf die Schnelle zu berechnen war, sah mindestens gut für den Gegner aus. ‚Meine Güte, was passiert hier?‘ Weiter an Brett 4, wo Christof nun mit Minusqualität und ohne Zeit dastand. Wenigstens vergeudet man im 30-Sekunden-Praggnanandhaa-Modus keine Zeit, darüber nachzudenken, einfach aufzugeben. Ja und an 8, wenigstens hier hatte sich Daniels Läuferpaar gegen das gegnerische Springerpaar getauscht und das entstehende Doppelturmendspiel sollte irgendwie Remis enden.

Völlig zerstört sank ich in meinen Stuhl und versuchte mich in elementarer Mathematik, 2,5 + 0,5 + 0,5 = Mist ! Die egozentrische Tiernamensfindung verlief auch nicht wirklich zufriedenstellen, als die Schachgöttin sich uns zuwandte und das mit voller Wucht. Eriks Gegner hatte sich an 3 soeben für den einfachsten Gewinnweg entschieden, der „leider“ den mächtigen Haken hatte, dass das entstehende Bauernendspiel durch Zugzwang sogar verloren war und auch Daniels Gegner an 8 hatte eine eher suizidale Turmendspieltechnik an den Tag gelegt, was den Mannschaftssieg für uns bedeutete. Dass dann auch noch Christof von den Scheintoten erwachte und seinen Gegner noch austrickste und auch Lion an 2 irgendwie ein Remis erreichte, war uns fast schon peinlich. Jedenfalls durfte Edvin Fischer an Brett 1 nach solider Leistung und fast 6 Stunden Spiel bei leerem Brett, das Remis zum Gesamtstand von 6,5 : 1,5 unterzeichnen.

Ich frage mich, wie manche sowas gerne Aushalten. Ich jedenfalls habe mir fest vorgenommen, mich beim nächsten Punktspielsonntag, wieder im Schachspielen zu versuchen.